Archiv

Veranstaltungen ab 2010


2023


Donnerstag, 26. Januar 2023

Prof. Dr. Wolfgang Senf (Essen):
Fake News und Verschwörungserzählungen: Wie sie unsere Wahrnehmung und unser Denken beeinflussen können

Gegenstand der klinischen und wissenschaftlichen Arbeit von Wolfgang Senf sind u.a. sogenannte Narrative, also sinnstiftende Erzählungen darüber, wie jemand seine Welt, seine Umwelt, sich selbst, sein eigenes Leben und das Leben der anderen wahrnimmt und darüber erzählt. Auf diesem Hintergrund geht es in dem Vortrag darum, ob und wie vor allem in gesellschaftlichen Krisen Verschwörungserzählungen für das individuelle Erleben eine nachhaltig stabilisierende Funktion bekommen können. 

Prof. Dr. Senf war bis 2013 Universitätsprofessor am Klinikum Essen für das Fachgebiet Psychosomatische Medizin und Psychotherapie und ärztlicher Direktor der dazugehörigen Klinik.


Donnerstag, 23. Februar 2023

Dr. Bertold Heizmann (Essen):
Goethes „Stella“ und der zwiebeweibte Graf. Zur literarischen Karriere eines Männertraums

Kann das gut gehen? Ein Mann mit zwei Frauen? Seit Jahrhunderten haben sich immer wieder Schriftsteller dieses aufreizenden Themas angenommen: nicht nur in der Literatur, sondern auch in ihrer eigenen Lebensführung, und haben sich dabei sogar auf päpstlichen Dispens berufen. Selbst Goethe hing in seinem Schauspiel „Stella“ diesem Männertraum nach – allerdings nur in der Frühfassung, später hat er das Ende tragisch abgeändert. Das Stück hat in beiden Fassungen bei seinen Zeitgenossen heftige Auseinandersetzungen ausgelöst. Der Vortrag zeigt mit Beispielen aus Literatur, Musik und Film, wie sehr das Thema immer wieder neu faszinierte.


Donnerstag, 23. März 2023

Do., 23.03.2023: Vicki Spindler & Jutta Hoffmann (Weimar/Berlin):
Jammern gilt nicht. Ein spätes Gespräch der Johanne Eckermann mit Christiane von Goethe. Ein gelesenes Spiel

Die beiden Frauen begegneten sich nie und doch hätten sie sich, so denke ich, wohl Einiges zu erzählen gehabt. Verblüffend sind, wenn man genauer hinsieht, die Ähnlichkeiten, aber auch die Unterschiede zwischen ihnen. Christiane, „Bettschatz“ und spätere Ehefrau des größten deutschen Dichters: Goethe. Johanne, „Langzeit-Verlobte“ und „Kurzzeitehefrau“ des Freundes des Dichters: Eckermann.
Goethe wird verehrt, ist berühmt und beansprucht bis heute fast unangefochten den Dichterthron, während Eckermann zu den unzähligen, kleinen Randgestalten der Weimarer Klassik zählt, wenn er nicht ganz vergessen ist.
Dies ist aber vor allem ein Abend über ihre Frauen. Sie plaudern miteinander, grenzen sich ab, stellen klar, foppen sich, lachen gemeinsam, gestehen sich tiefste Herzensabgründe und sind einmal nur Frau, nur Mensch und dabei fast ausgelassen, denn wer hätte ihnen zugehört, damals!?
Heute, jetzt, stehen sie im Mittelpunkt und dabei wandelt sich vielleicht das überlieferte Bild, welches wir über sie UND ihre Ehemänner haben? Vielleicht sehen wir klarer, vielleicht relativieren wir, vielleicht denken wir weniger streng oder einseitig oder die Grenzen zwischen Dichter und Mensch werden verschwommener?

Ein ehrlicher Abend über vier Menschen, die mit ihren Mitteln und Möglichkeiten versuchten glücklich zu sein.


Donnerstag, 27. April 2023

Prof. Dr. Volker Hesse (Berlin):
Goethe, Schiller – Kreativität trotz Krankheit

In dem Vortrag wird darauf eingegangen, dass Goethe und Schiller in ihrem Leben zum Teil schwere physische und psychische Erkrankungen bewältigen mussten. Aber gerade in Zeiten der schweren Belastungen haben beide beeindruckende Werke geschaffen. Während bei Friedrich Schiller seit den 1790er-Jahren eine schwere Lungenerkrankung und zusätzliche Erkrankung des Darmes im Vordergrund stand, hatte Goethe neben sieben lebensbedrohliche Erkrankungen auch zahlreiche ihn belastende chronische Erkrankungen in seinem 82jährigen Leben zu erdulden. Er überwand die Krisenzum großen Teil auch durch psychisch befreiende Arbeit, entsprechend dem Motto aus seinem Tasso: „Und wenn der Mensch in seiner Qual verstummt, gab mir ein Gott zu sagen, was ich leide“.
Friedrich Schiller war in seinem nur 45-jährigen Leben, seit einer Krise im Jahr 1791 chronisch krank und hat nur noch zeitweilig arbeiten können. Trotzdem hat er gerade in den letzten fünf Jahren vor seinem Tod seine großen dramatischen Werke geschaffen: 1800 Maria Stuart, 1801 die Jungfrau von Orleans, 1803 die Braut von Messina und 1804 Wilhelm Tell. Der 1805 begonnene Demetrius blieb unvollendet. Schillers Vision: „daß vielleicht in 100 und mehr Jahren… man mein Andenken segnet… versöhne mich mit Gott und meinem oft harten Verhängniß“ ist in Erfüllung gegangen. Seine „Ode an die Freude“ ist heute in der musikalischen Gestaltung Beethovens die Hymne Europas.


Donnerstag, 25. Mai 2023

Dr. Dieter Strauss (Offenbach):
„Wir beschreiben ja nicht um zu beschreiben, sondern um beschreibend zu verändern!“ Über Anna Seghers

„Ich bin nicht Klaus Mann“ schreibt Günther Grass entgeistert in Anspielung auf dessen offene Kritik an Gottfried Benns Unterstützung des Nationalsozialismus an Anna Seghers, als die sich im August 1961 nicht zu dem innerdeutschen Mauerbau äußert. – Verlässt sich Anna Seghers ganz auf die Änderungskraft ihrer Werke und nicht auf lauten Protest? Eine Frage, der wir in ihren drei
Romanen, „Das siebte Kreuz“ (1942), „Transit“ (1944) und „Die Toten bleiben jung“ (1949) nachgehen.
Die   anschließende Darstellung ihrer wichtigsten Lebens- und Exilepochen in Mainz und Berlin, in Paris und Mexiko sowie in Ostberlin erklärt ihren Glauben an die Veränderungskraft der Literatur, die sie für wichtiger hält als schrille öffentliche Ablehnung.
Der Referent Dr. Dieter Strauss hat 33 Jahre für das Goethe-Institut in sieben Ländern gearbeitet und lebt heute als Referent und Sachbuch-Autor in Offenbach am Main


Donnerstag, 15. Juni 2023

Dr. Dr. Manfred Osten (Bonn):
Goethe, der „Konfuzius von Weimar“? – Zur Aktualität des Goethe’schen Chinaverständnisses und der Möglichkeit eines chinesischen Jahrhunderts

„Ich habe mir dieses wichtige Land (gemeint ist China) aufgehoben, um mich dorthin im Falle der Not zu flüchten“. Gibt es einen Zusammenhang zwischen diesem Bekenntnis Goethes von 1813 und dem Aufstieg Chinas der letzten 40 Jahre? Warum ist es in so kurzer Zeit gelungen, 700 Millionen Menschen aus der Armut zu befreien? Warum ist China zuversichtlich, bis 2030 wieder das zu sein, was es schon einmal war: die technologische Führungsmacht der Welt? Hat Goethe etwas gewusst vom Betriebsgeheimnis des chinesischen Erfolgs seit Deng Xiaoping? Welche Herausforderungen für den Westen ergeben sich aus diesem ›Betriebsgeheimnis‹?

Dr. Manfred Osten ist uns noch aus seinem Festvortrag auf unserer Jubiläumsfeier über Goethes Prophetie der Welt als „großes Hospital“ bestens bekannt. Der Goethe-Kenner und ehemalige Diplomat mit siebenjähriger Erfahrung in Fernost wird diesen Fragen mit Blick auf die gegenwärtige geopolitische Weltlage nachgehen.


!! Achtung, Terminänderung !!

Unsere nächste Veranstaltung findet nicht am Donnerstag, 17. August 2023,
sondern bereits am Donnerstag, 10. August statt.

Prof. Dr. Wolfgang Bunzel (Frankfurt a. M.):
Die Brentanos und Goethe – Stationen einer spannungsreichen Beziehung

Goethe hatte zu den Mitgliedern der Familie Brentano zeitlebens ein gespaltenes Verhältnis. Erst musste er mit ansehen, wie die von ihm verehrte Maximiliane von La Roche den Großkaufmann Pietro Antonio Brentano heiratete, dann erlebte er, wie dessen Kinder Clemens und Bettine ihn überschwänglich verehrten und zugleich für die Romantik vereinnahmen wollten. Vor allem Bettine von Arnim geb. Brentano erwies sich als so fordernd, dass er schließlich den Kontakt zu ihr abbrach. Nur zu den älteren Geschwistern Georg und Franz Brentano, besonders aber zu Franz’ Ehefrau Antonia geb. von Birkenstock, entwickelte sich ein entspannt-herzliches Verhältnis. Der Vortrag gibt einen Gesamtüberblick über die wechselvolle Beziehung Goethes zu den charakterlich so unterschiedlichen Mitgliedern der Familie Brentano.

Prof. Bunzel ist Leiter der Abteilung Romantik-Forschung im Freien Deutschen Hochstift/ Frankfurter Goethe-Museum


Donnerstag, 21. September 2023

Prof. Dr. Michael Wetzel (Bonn):
Mignon, die poetischste Figur im Werk Goethes

Mignon ist sicherlich die poetischste Figur im Werk Goethes. Ihr Italienlied („Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn…“) ist zum Inbegriff der Sehnsucht nach dem Süden geworden. Dass Goethe sie aber als Symbol einer ästhetischen Rechtfertigung des Daseins im Bildungsroman Wilhelm Meister opfert, haben besonders die Frühromantiker ihm übelgenommen. Für sie ist Mignons Tod nur eine Verklärung in einen höheren geistigen Zustand. Aber auch im Werk Goethes hört Mignon nicht auf, in anderen Gestalten wiederzukehren, z.B. in der Ottilie der Wahlverwandtschaften, im Gretchen, ja selbst in der Helena-Figur.

Dies wird der Vortrag nach einer kurzen Zusammenfassung des grundlegenden Romans Wilhelm Meisters Lehrjahre zu zeigen versuchen.


Donnerstag, 19. Oktober 2023

Dr. Tanja Rudtke (Erlangen):
„Der Herr wünscht zu speisen?“ – Ein Streifzug durch die Gasthäuser in der Literatur von Goethe bis zur Gegenwart

Es gibt nicht wenige Texte in der Literatur, in denen einem Gasthaus als Ort der Handlung
eine besondere Funktion zukommt, die Inszenierung von Essen, Trinken und Reden in einem begrenzten öffentlichen Raum ist oftmals ein Spiegel der Gesellschaft, je nach Standort zeigt es die dörfliche Gemeinschaft ebenso wie das zufällige Aufeinandertreffen von Fremden. Neben der Befriedigung des leiblichen Wohls kann dort weiteren Beschäftigungen nachgegangen werden, Versammlungen, Würfel- und Kartenspiel, Tanz und Gesang eignen sich dazu, die Figuren zu charakterisieren, auch als Rahmenhandlung zum Geschichtenerzählen eignet sich dieser Ort, wie das „Wirtshaus im Spessart“ von Wilhelm Hauff zeigt.
Der Vortrag setzt anhand ausgewählter literarischer Beispiele thematische Schwerpunkte, vom studentischen Wirtshausleben über Gasthausbesuche als Rituale der bürgerlichen Alltagskultur bis hin zum Restaurant als Ort des Vergnügens und der Unterhaltung. Dabei werden Exzesse möglich, das Gasthaus dient als transitorischer Ort, dies deutet sich manchmal schon im Namen an, „Auerbachs Keller“ als Abstieg ins Unterreich – oder als Verheißung, wenn man im „Paradiesgärtlein“ verweilt.
Die Art der Lokalität spiegelt zudem Entwicklungen in der Gastronomie und Formen der
Gastlichkeit; insbesondere der Trend zu den Küchen anderer Länder („Heute gehen wir zum Chinesen“) ist oftmals Ausdruck der Sehnsucht nach dem Fremden und sei es nur in kulinarischer Hinsicht.


Donnerstag, 23. November 2023

Dr. Heidi Ritter (Halle/Saale):
„Ich will ihm den Kranz von der Stirne reißen“. Kleist und Goethe

Sie waren Zeitgenossen, aber gehörten verschiedenen Generationen an. Kleist, fast 30 Jahre jünger, war dem berühmten Weimarer Dichter nie begegnet, aber ihm war dessen Urteil über das eigene dichterische Werk wichtig. Goethe jedoch lehnte Kleist, der heute als einer der wichtigsten Dramatiker und Erzähler der deutschen Literatur gilt, ab; den Zerbrochenen Krug brachte er zwar in Weimar auf die Bühne; die in die Länge gezogene Aufführung geriet allerdings zum Fiasko. Der Vortrag geht den Gründen für die (Fehl-)Einschätzung Goethes nach und skizziert Kleists scharfe Reaktion.



2022


Donnerstag, 27. Januar 2022

Dr. Bertold Heizmann (Essen): Kraftgenies im Kastratenjahrhundert. Wandlungen des künstlerischen Selbstverständnisses im 18. Jahrhundert

Das künstlerische Selbstverständnis erfährt im 18. Jahrhundert im Zusammenhang mit der Neufassung des Geniebegriffs eine grundlegende Wandlung. Seit der Antike war es die Aufgabe der Kunst, die Natur nachzuahmen, dann war die Kunst der Antike selbst das Vorbild, das es nachzuahmen galt, um selbst, nach einem paradoxen Satz des Italienreisenden Johann Joachim Winckelmann, «unnachahmlich» zu werden. Dies konnte den jugendlichen Dichtern, die die Epoche des «Sturm und Drang» prägten, nicht genügen; sie fühlten in sich eigenschöpferische Kräfte und setzten den bislang geltenden Vorbildern das Prinzip der Originalität entgegen. Dies gilt nicht nur in künstlerischer, sondern auch in politischer und sozialer Hinsicht, wie insbesondere die Jugenddramen Schillers kraftvoll zum Ausdruck bringen. Als Höhepunkt und Sinnbild dieser Bewegung kann Goethes Prometheus gelten, der in seiner Auflehnung gegen Zeus das «Genie» und damit das Selbstbewusstsein nicht nur des Dichters, sondern des modernen Menschen überhaupt verkörpert.


Donnerstag, 17. Februar 2022

Ekaterine Horn (Düsseldorf): Erotische und homosexuelle Elemente bei Thomas Mann

Mit der „Knabenliebe“, die nicht nur im „Tod in Venedig“, sondern auch in mehreren anderen Erzählwerken Thomas Manns im Mittelpunkt steht, befasst sich der Vortrag der aus Georgien stammenden Germanistin Ekaterine Horn am 17. Februar, 18.00 Uhr, im ChorForum Essen. So enthält das Motivarsenal des Romans „Der Zauberberg“ Thomas Manns persönliche Erlebnisse, die bis in seine Kindheit zurückgehen. Seine Briefe und Tagebuchnotizen, die die homoerotisch anmutenden Schwärmereien des Dichters preisgeben, ermöglichen die Konstatierung der Zusammenhänge zwischen seinen Werken und eigenen Erfahrungen. Vieles hat Thomas Mann mystifiziert: Was fasziniert Hans Castorp (im „Zauberberg“) an der „kirgisenäugigen“ Clawdia? Und worin bestehen die Geheimnisse der „Walpurgisnacht“?


Donnerstag, 3. März 2022

Prof. Dr. Christof Wingertszahn (Direktor des Goethe-Museums Düsseldorf): „Weg, du Traum! so gold du bist“ – Goethe und die Träume

Die herkömmliche Literaturgeschichte weiß Goethe als Mann der Tat und des gelebten Augenblicks deutlich von den Romantikern und ihrem Hang zu einer Traumwelt abzusetzen. Aber Goethe war keineswegs von diesem dunklen Kontinent, den die Literatur immer wieder fasziniert erkundet hat, unberührt geblieben. Auch er wurde, vor allem in jungen Jahren, von der „Traum- und Zaubersphäre“ angezogen, die in den Walpurgisnachtsträumen des „Faust“ deutliche Spuren hinterlassen hat. Traum-Motive erscheinen in den Gedichten des jungen Goethe und in Briefen an seine Freunde und an die verehrte Charlotte von Stein. Eines seiner Lebenssymbole ist der sogenannte „Fasanen-Traum“ aus dem Jahr 1785. In der „Italienischen Reise“ charakterisiert er ihn als eines der „Wahnbilder“, an denen wir uns ergötzten, „die, weil sie aus uns selbst entspringen, wohl Analogie mit unserm übrigen Leben und Schicksalen haben müssen“. – Dass Goethe den Traum aber oft verleugnet, hat Methode für eine Lebenspraxis, die ganz der Einhegung des Gefährlichen und schwer Kontrollierbaren folgt.


Donnerstag, 24. März 2022

Dr. Bozena Anna Badura (Moers):
Nationale Selbst- und Fremdbilder in ausgewählten Romanen des 19. Jahrhunderts

Die Literatur kann eingefahrene nationale Selbstbilder („Wir Deutschen“) oder Fremdbilder („Diese Polen!“, „So sind sie, die Juden!“) befestigen oder aber gegen diese aktiv vorgehen. Wofür interessiert sie sich und warum? In dem Vortrag sollen anhand zweier Perspektiven – am Beispiel der Romane „Soll und Haben“ von Gustav Freytag und „Ziemia obiecana“ (dt. „Das gelobte Land“) des Literatur-Nobelpreisträgers (1924) Władysław Reymont – nationale Selbst- und Fremdbilder der Deutschen, Polen und Juden des 19. Jahrhunderts nachgezeichnet werden, um u.a. nach der Funktionalisierung solcher stereotypischen Darstellungen in der Literatur und der Gesellschaft zu fragen.
Als Lehrbeauftragte an der Universität Duisburg-Essen und verantwortliches Mitglied zahlreicher literarischer Vereinigungen – u.a. der Literarischen Gesellschaft Ruhr – ist die junge aus Polen stammende Germanistin Bozena Anna Badura in Essen bestens bekannt.


Donnerstag, 19. Mai 2022

Dr. Markus Schwering (Leverkusen):
Goethe aus der Sicht von Marx und Engels

1865, also während seiner Londoner Exilzeit, trug Karl Marx, von seiner Tochter Jenny um eine entsprechende Auskunft gebeten, in deren Poesiealbum die Namen seiner Lieblingsdichter ein: Zu denen gehörte – neben Dante, Aischylos und Shakespeare – Goethe. Das erscheint vorderhand erklärungsbedürftig: Ausgerechnet Goethe als „Lieblingsdichter“ gerade dieses Philosophen? Immerhin hatten ihn die Jungdeutschen, denen Marx nahestand, als „Fürstenknecht“ verunglimpft. Tatsächlich tat Goethes politische Orientierung Marx‘ Bewunderung – wie der seines Freundes und Weggefährten Friedrich Engels – keinen Abbruch. Er schätzte an jenem Eigenschaften, die mit dem „politischen“ Oberflächensinn seiner Dichtung wenig bis nichts zu tun hatten. Womit aber hatten sie zu tun? Offensichtlich sah Marx in Goethe eine satisfaktionsfähige Spielart dessen, was zu sein er auch für sich selbst in Anspruch nahm: die eines Epochenphysiognomikers des 19. Jahrhunderts.


Donnerstag, 9. Juni 2022

Prof. Dr. Guido Fuchs (Hildesheim):
„Man könnte dich ein Mädchen schelten …“ (Faust II). Der schöne Knabe in der Literatur

Mitten in der Kanonade bei Valmy hat Goethe eine besondere Erscheinung: Er sieht entzückt einen schönen Knaben, mit anmutigen Zügen, blondgelockt, noch keine dreizehn Jahre alt. Es ist der Fahnenjunker des Regiments der Kürassiere, Carl Emil von Bechtolsheim, den er aus Eisenach kennt. („Kampagne in Frankreich“ – 1822)
„Der schöne Knabe“ ist in der Literatur ein auffallend häufiger Topos – zugleich wird heute tunlichst vermieden, darüber zu sprechen. Guido Fuchs geht in seinem Vortrag diesem besonderen literarischen Motiv und seinen Hintergründen bei verschiedenen Schriftstellerinnen und Schriftstellern nach, speziell mit Blick auf Johann Wolfgang von Goethe.
Prof. Dr. Guido Fuchs ist kath. Theologe und befasst sich mit Fragen religiöser Alltagskultur. 2016 erhielt er einen Wissenschaftspreis für seine Arbeiten zur religiösen Kulinaristik. – Er hat auch verschiedene Bücher zur Literatur veröffentlicht, so 2014 die Anthologie „Tadzios Brüder. Der ‚schöne Knabe‘ in der Literatur“; „In der Bahnhofsgaststätte. Ein literarisches Menü in zwölf Gängen“ (2018), „Spitznamen. Ein literarischer Streifzug“ (2022). Fuchs lehrte bis 2019 an der Universität Würzburg und wohnt in Hildesheim.


Donnerstag, 18. August 2022

Bernd Kemter (Gera):
Vom deutschen Publikum geringgeschätzt, von Goethe wohlwollend beurteilt: die polnische Romantik

Autoren slawischer Zunge haben es auch heutzutage noch gelegentlich schwer auf dem deutschen Büchermarkt. Wie galt dies erst zu Goethes Zeiten. Osteuropäische Dichter wurden kaum wahrgenommen, wenige rühmliche Ausnahmen sind in dieser Hinsicht ausgemacht, etwa Herders „Stimmen der Völker in Liedern“; eine Sammlung, die auch slawische Volkspoesie vereinte. Zu den wenigen deutschen Literaten, die sich osteuropäischen Dichtungen zuwandten, gehörte Goethe. Sein Interesse galt insbesondere der polnischen Romantik. Stieß ihn die deutsche Richtung entschieden ab, so akzeptierte er den andersartigen, nämlich national-patriotischen Charakter des nachbarlichen Ablegers. Er hat seine polnischen Schreibgenossen, allen voran Adam Mickiewicz (1798 – 1855), durchaus geschätzt und erfreute sich seinerseits deren regen Interesses. Sie ließen sich von den großen Werken Goethes zu eigenen Schöpfungen inspirieren, ohne in Epigonentum zu verfallen. Vergleiche zu „Werther“, „Faust“ und „Hermann und Dorothea“ beispielsweise zeitigen verblüffende Parallelen zu Mickiewiczs Drama „Dziady“ (Totenfeier) oder zum Poem „Wieslaw“ von Kazimierz Brodzinski (1791 – 1835). Der Vortrag folgt diesen literarischen Spuren. Er geht ebenso auf Besuche und Bekanntschaften Goethes mit polnischen Dichtern und weiteren prominenten Persönlichkeiten ein. Adam Mickiewicz und sein Dichterfreund Antoni Odyniec (1804 -1885) wurden sogar zum 80. Geburtstag Goethes im Haus am Frauenplan willkommen geheißen. Die Sympathie füreinander war augenscheinlich.


Donnerstag, 15. September 2022

Prof. Dr. Sabine Wienker-Piepho
„Ein fingerlanges Greisengeschlecht…“– Zur Mystik der Alraune in der Literatur.

Goethe besaß eine, ebenso Jeanne d’Arc, Shakespeare erwähnt sie, Heinrich Heine ebenso, Harry Potter lernt sie im Biologieunterricht auf Schloss Hogwarts kennen: die merkwürdige Pflanze Alraune, auch „Mandragora“ genannt. Anspielungs- und kenntnisreich spricht Goethe von einem „hohen Fund mit Hund“, den die Menschen nicht begreifen: „Da stehen sie umher und staunen, vertrauen nicht dem hohen Fund. Der eine faselt von Alraunen, der andere von dem schwarzen Hund“. Unter allen im Abendland bekannten magischen Pflanzen ist sie jedenfalls die mit dem „ältesten, unheimlichsten, zaubervollsten Ruf“. Der reich bebilderte Vortrag der Freiburger Erzählforscherin gibt Einblicke in die Erzähl-Traditionen, die ein ganz besonders kurioses Faszinosum umkreisen.


Donnerstag, 20. Oktober 2022

Dr. Egon Freitag (Weimar):
»Tropftest Mäßigung dem heißen Blute«. Charlotte von Stein ‒ Goethes berühmte Geliebte

Goethe berichtete in einem Brief an Wieland: „Ich kann mir die Bedeutsamkeit – die Macht, die diese Frau über mich hat, anders nicht erklären als durch die Seelenwanderung.“ – Und er ergänzte: „Ja, wir waren einst Mann und Weib!“ Goethe nannte es „das reinste, schönste, wahrste Verhältnis, das ich außer zu meiner Schwester je zu einem Weibe gehabt habe.“
Charlotte von Stein wurde die ideale Lehrmeisterin für Goethe und führte ihn in das Leben bei Hofe ein. Nahezu 1700 Briefchen, Zettelchen und Billetts schrieb Goethe an die Geliebte, manchmal sogar mehrmals am Tag. Sein Werben um Charlotte, seine Sehnsucht, das heiße Verlangen nach der Geliebten, bewegten sich zwischen Hoffnung und Entsagung. Am 28. Januar 1776 gestand er ihr: „Du begreifst nicht, wie ich dich lieb hab.“ In der Anrede wechselte er zwischen »Sie« und »Du«, obwohl sie ihm diese Vertraulichkeit lange verwehrt hatte.
Goethe widmete Charlotte von Stein mehrere Gedichte, z. B. „An Lida“, „Jägers Nachtlied“ (späterer Titel „Jägers Abendlied“), „An den Mond“, „Rastlose Liebe“, „Zwischen beiden Welten“ und „Warum gabst du uns die tiefen Blicke“.


Donnerstag, 17. November 2022

Prof. Dr. Christoph Cremer (Heidelberg):
Vom Homunculus zu ALEXA – Zu Geschichte und Perspektiven der Künstlichen Intelligenz

Nach der Aussage eines Pioniers der KI geht es bei der Künstlichen Intelligenz, darum „Maschinen dazu zu bringen, Dinge zu tun, die – würden sie von Menschen vollbracht – Intelligenz erfordern“. Inzwischen begegnen wir der KI täglich, vom Wetterbericht bis zum Smartphone. Über Künstliche Intelligenz wird jedoch nicht erst seit der Erfindung des Computers nachgedacht; schon in der Antike wurden von Göttern verfertigte „KI“-Systeme beschrieben, und der Homunculus in Goethes „Faust“-Dichtung hat Eigenschaften einer biologisch inspirierten Künstlichen Intelligenz. Ausgehend von dessen Synthese im Labor von Dr. Wagner und einer kritischen Würdigung der Möglichkeiten der Entwicklung einer künstlichen Intelligenz auf organischer Grundlage geht es in dem Vortrag von Prof. Cremer um die Geschichte der Computer-gestützten KI, deren heute bereits etablierte Anwendungsgebiete und die sich abzeichnenden Zukunftsperspektiven, insbesondere im Bereich der biomedizinischen Forschung und des Gesundheitswesens.



2021

Donnerstag, 23.9.2021
Prof. Dr. Uwe Hentschel (Chemnitz)

„Die Utopie von der vernünftigen Lust. Zur erotischen Literatur des 18. Jahrhunderts“

Wie schwierig es im Jahrhundert der Aufklärung war, sich öffentlich zu einer hedonistischen Erotik zu bekennen, zeigen beispielhaft die Gedichte des Königsberger Kriegs- und Steuerrates Johann Georg Scheffner (1736–1820). Einerseits bringen Scheffners Texte sexuelles Begehren offen und unverbrämt zur Anschauung, andererseits betrieb er zugleich einen immensen Aufwand, um als Autor unerkannt zu bleiben. Bezeichnend auch die Rezeption seiner Gedichte: So sind sie für Christoph Martin Wieland, der uns heute durch seine verspielte Rokoko-Erotik bekannt ist, „ekelhafte Obszönitäten“.

Der Referent, Professor für Germanistik in Chemnitz, zeigt diesen zentralen Widerspruch der Aufklärungszeit auf: Einerseits soll die Sexualität als elementares Bedürfnis anerkannt werden, andererseits muss eben dieses Verlangen in der Öffentlichkeit verborgen bleiben.

Donnerstag, 28.10.2021
Dr. Heiko Postma (Hannover):

„Die Fortsetzung folgt…“ – Friedrich Schiller und sein Roman «Der Geisterseher»

Ein morbides Venedig, eine abgefeimte Verschwörung, ein unheimlicher Agent, ein eiskalt operierender Geheimbund – das sind die Themen von Schillers einzigem Roman, der in Fortsetzungen zwischen 1787 und 1789 erschien. Mit seinen «Cliffhangern» ist «Der Geister-seher» nicht nur zum Urbild des deutschen Schauerromans geworden, sondern zeigt auch die Nöte eines Dichters, der sich gerne ganz der «Klassik» widmen möchte, aber aus Geldnot auch in die Niederungen der Abenteuerliteratur absteigen muss.

Der Autor und Publizist Postma ist durch seine originellen Veröffentlichungen und Rundfunkbeiträge bekannt. Wir erinnern uns gerne an seinen gehalt- und humorvollen Vortrag über Goethes «Adlatus» Johann Peter Eckermann.

Donnerstag, 25.11.2021
Prof. Dr. Peter-André Alt (Berlin)

„Spiel, Vorspiel, Endspiel. Zu Goethes «Faust»-Prolog“

Goethes «Faust»-Prolog ist ein Stück Literatur, wie es komplexer und dichter kaum ge­dacht werden kann. Er umfasst eine Vielzahl von Gattungen, zwischen denen er sou­verän changiert. Die antike Tragödie ist in ihm ebenso präsent wie das mittelalterliche Mysterienspiel und das moderne Trauerspiel. Seine poetischen Funktionen stehen der Vielfalt der poetischen Formen in nichts nach. Der «Faust»-Prolog fragt nach dem Vor­rang des göttlichen Prinzips in der Welt, nach der Rolle des Bösen in ihr und dem Wettstreit zwischen beiden Mächten.

Der Vortrag wird den Prolog unter den hier genannten Aspekten untersuchen und auf diese Weise in die Tiefenstrukturen des «Faust»-Dramas einführen. Die Wette zwischen Gott und Teufel wird dabei ebenso betrachtet wie die Rolle des Theaters für das Spiel, das der Prolog in letzter Instanz bedeutet. Am Schluss steht ein Blick auf «Faust II» und das Finale der Tragödie im Zeichen von Erlösung und schwierigem Sieg des Guten.

Prof. Alt, Germanist an der FU Berlin, ist seit 2018 Präsident der Hochschulrektorenkonferenz.


2020

Donnerstag, 30. Januar 2020
Arin Haideri (Bielefeld):

«Für 10 Mark kommt man in die beste Gesellschaft!» – Die Gründung der Goethe-Gesellschaft im Kaiserreich

Zum Auftakt der Vortragsreihe in unserem Jubiläumsjahr wirft die Bielefelder Historikerin Arin Haideri einen Blick auf die Konstituierung und Etablierung der 1885 gegründeten «Goethe-Gesellschaft in Weimar», der sich dann später die Ortsvereinigungen anschlossen. Bemerkenswert an dieser literarischen Gesellschaft ist nicht nur ihr Alter, sondern auch ihre Geschichte. Ununterbrochen organisiert sie seit knapp 135 Jahren Goethes Nachruhm. Immer im Kontext und in Auseinandersetzung mit der historisch-politischen Lage changiert die Arbeit der Goethe-Gesellschaft spannungsreich zwischen der Verehrung, Erforschung und Politisierung ihres Namensgebers. In dieser frühen Phase der Goetheverehrung gelangte man tatsächlich «für 10 Mark in die beste Gesellschaft».

Donnerstag, 27. Februar 2020
Achtung: Beginn 17.30 Uhr !!
Prof. Dr. Rainer Holm-Hadulla
(Heidelberg)

«Sympathy for the Devil» – Die künstlerische Bewältigung des Bösen am Beispiel von J. W. Goethe und Mick Jagger

«Sympathy for the Devil», die künstlerische Bewältigung des Bösen, ist ein Generalbass von Goethes Faust. Der «Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft», entstammt einer langen Kulturgeschichte und wird auch in der Moderne immer wieder inszeniert. «Sympathy for the Devil», einer der bedeutendsten Pop-Songs unserer Zeit, bezieht sich auf Goethe und besingt die Notwendigkeit, sich mit dem Bösen auseinanderzusetzen. Die Polarität der menschlichen Existenz zwischen Hell und Dunkel, Gut und Böse hat Goethe auf einzigartige Weise durchlebt. Sein Thema, dass Kulturarbeit die einzige Chance ist, menschliche Destruktivität zu bewältigen, prägt auch das Werk Sigmund Freuds. Es erweist sich: Das Streben nach dem ‹Guten, Wahren und Schönen› ist kein luxuriöser Zeitvertreib, sondern lebensnotwendig.
Prof. Holm-Hadulla ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Zur vorbereitenden Lektüre seien empfohlen: Leidenschaft – Goethes Weg zur Kreativität (3. Aufl. 2019); Kreativität zwischen Schöpfung und Zerstörung (2011)

Donnerstag, 26. März 2020
Dr. Bertold Heizmann (Essen):

Kraftgenies im Kastratenjahrhundert. Wandlungen des künstlerischen Selbstverständnisses im 18. Jahrhundert

Das künstlerische Selbstverständnis erfährt im 18. Jahrhundert im Zusammenhang mit der Neufassung des Geniebegriffs eine grundlegende Wandlung. Seit der Antike war es die Aufgabe der Kunst, die Natur nachzuahmen, dann war die Kunst der Antike selbst das Vorbild, das es nachzuahmen galt, um selbst, nach einem paradoxen Satz des Italienreisenden Johann Joachim Winckelmann, «unnachahmlich» zu werden. Dies konnte den jugendlichen Dichtern, die die Epoche des «Sturm und Drang» prägten, nicht genügen; sie fühlten in sich eigenschöpferische Kräfte und setzten den bislang geltenden Vorbildern das Prinzip der Originalität entgegen. Dies gilt nicht nur in künstlerischer, sondern auch in politischer und sozialer Hinsicht, wie insbesondere die Jugenddramen Schillers kraftvoll zum Ausdruck bringen. Als Höhepunkt und Sinnbild dieser Bewegung kann Goethes Prometheus gelten, der in seiner Auflehnung gegen Zeus das «Genie» und damit das Selbstbewusstsein nicht nur des Dichters, sondern des modernen Menschen überhaupt verkörpert.

Donnerstag, 7. Mai 2020
Prof. Dr. Jochen Golz (Weimar):

«Was du ererbt von deinen Vätern…»
Goethe im 21. Jahrhundert

Auch im 21. Jahrhundert stellt Goethe eine wichtige Stimme im geistigen Leben dar, wie aktuelle Debatten beweisen. Nach wie vor gehört er zu den deutschen Autoren, die häufig übersetzt werden; vor allem sein «Faust» ist immer wieder auf Theaterspielplänen zu finden. Die Frage nach den Gründen für Goethes Aktualität steht im Mittelpunkt des Vortrags, der einige Aspekte in den Vordergrund rückt: Goethes Haltung zur Migration, sein Plädoyer für historisches Denken, das wechselseitiges Verstehen und Achten befördert, sein Denken über die Natur, über Moralität und Politik. All dies erzeugt die Modernität seiner Dichtung, von der besonders sein «West-östlicher Divan» und sein «Faust» Zeugnis ablegen.
Prof. Dr. Golz war 20 Jahre lang Präsident der Goethe-Gesellschaft in Weimar. Seit 2019 ist er deren Vizepräsident

Donnerstag, 14. Mai 2020
Veranstaltung des Historischen Vereins Essen in Kooperation mit der Goethe-Gesellschaft Essen e.V.
Ort: Haus der Essener Geschichte
Ernst-Schmidt-Platz 1, 18.00 Uhr
Dr. Jürgen Lodemann

Ermordung einer Hauptfigur.
Siegfried im Epos und bei Richard Wagner

Zu einem Vortrag begrüßen wir den Schriftsteller Jürgen Lodemann wieder in seiner Geburtsstadt Essen: Er versucht nicht weniger als eine Neudeutung des Nibelungen-Epos als einer ursprünglich christlichen Friedensbotschaft. Das um 1200 entstandene Nibelungenlied, von geistlichen Verfassern geschaffen, ist laut Lodemann ein frühes hochliterarisches Dokument deutscher Sprache, folgenreich verfälscht von nationalistischer Germanistik und am wirksamsten und weltweit von Richard Wagner.

In seinem jüngsten Buch Mars an Erde (2020) erweist Lodemann noch einmal Essen, dem Ruhrgebiet, dem Bergbau – und Goethe seine Reverenz.

Donnerstag, 18. Juni 2020
Dr. Günther Kraus (Nürnberg)
«Denn er war unser!»
Goethe und die deutschen Exilanten 1933-1945

Nicht nur bei Schiller, den die Nationalsozialisten gerne als einen der «Ihrigen» feierten, kam es im Dritten Riech auch bei Goethe zu teilweise grotesken Vereinnahmungen (Goethe als Verkünder des wahren Deutschtums, Goethe als Judenfeind usw.). Für viele Exilanten war er hingegen insofern von großer Bedeutung, als seine Texte Material für den Kampf gegen das NS-Deutschland von außen boten; sie spendeten auch Manchem Hoffnung und gaben Trost in trostlosen Zeiten. Man fand bei ihm die geistige Heimat, die real verloren gegangen war. So ist es nicht verwunderlich, dass der Dichter selbst auch zum Gegenstand in der Dichtung wurde, etwa in Thomas Manns Roman Lotte in Weimar. Ebenso wurden Goethes Dramen während der NS-Zeit – vor allem in der Schweiz mit exilierten deutschen Schauspielern – aufgeführt.

Freitag, 28. August 2020
Wir feiern
100 Jahre
Goethe-Gesellschaft Essen!

11.00 Uhr: Festakt im Ratssaal des Rathauses
Begrüßung: Thomas Kufen, Oberbürgermeister der Stadt Essen
Grußwort: Dr. Bertold Heizmann, Vorsitzender der Goethe-Gesellschaft Essen
Festvortrag: Dr. Dr. h.c. Manfred Osten

Musikalische Gestaltung durch Schülerinnen und Schüler der Goetheschule Essen-Bredeney

Anschließend Empfang in der 22. Etage des Rathauses

Ab 18.00 Uhr: Feier im Hotel «Essener Hof» mit literarisch-musikalischem Programm

Einladungen und detailliertes Programm gehen Ihnen rechtzeitig zu.

Donnerstag, 24. September 2020
Dr. Egon Freitag (Weimar):

«Wenn man kein Liebchen erwartet, gibt’s keine Nacht mehr». Goethe und die Liebe

Die Liebe, das unerschöpfliche Thema, war für Goethe eine Quelle der Inspiration, die große Triebkraft seiner Dichtungen. «Lust und Liebe sind die Fittiche zu großen Taten», heißt es in der «Iphigenie, und der Dichter bekannte: «Liebesgedichte habe ich nur gemacht, wenn ich liebte». Einige davon, die Anstoß hätten erregen können, weil er wusste, «was den alten Griechen zu sagen erlaubt war, will uns zu sagen nicht mehr anstehen», wurden erst lange nach seinem Tod veröffentlicht. Glück und Verlangen, Hoffnung und Enttäuschung finden ihre literarische Gestaltung z. B. in den «Römischen Elegien», im «West-östlichen Divan», in der «Trilogie der Leidenschaft», im Briefroman «Die Leiden des jungen Werthers». Aber auch im «Wilhelm-Meister»-Roman, in den «Wahlverwandtschaften» und in vielen Dramen, z. B. in «Clavigo», «Stella», «Egmont», «Torquato Tasso» und im «Faust», spielt die Liebe eine maßgebliche Rolle.
Zu diesem Thema hat Egon Freitag eine Monographie verfasst: Goethe und die Liebe (Schnell-Verlag, Warendorf).

Donnerstag, 29. Oktober 2020
Dr. Dieter Strauss (München)

Engel sollen nicht sterben: Über die Legende Marlene Dietrich

«Marlene Dietrich, ein Name, der mit einer Liebkosung beginnt und mit einem Peitschenknall endet» (Jean Cocteau): Das bunte Leben der Marlene Dietrich, dessen Reiz uns in Bann zieht wie der «Blaue Engel» den Professor Unrat, wird mit diesem Zitat treffend beschrieben. Von dem «Girl am Kudamm» der zwanziger Jahre mit dem Welterfolg des «Blauen Engel» reicht der Vortrag über ihre berühmten Hollywoodfilme wie «Marokko» (1930) mit der Schaffung des geheimnisvollen Dietrich-Gesichtes bis hin zu ihrer Betreuung amerikanischer Truppen im 2. Weltkrieg und ihren anschließenden Welttourneen als Sängerin bis Mitte der siebziger Jahre und ihren letzten Krankheitsjahren in Paris.
Der Referent Dr. Dieter Strauss arbeitete 33 Jahre für das Goethe-Institut in vier Kontinenten und sieben Ländern. Er lebt heute als freier Referent und Sachbuchautor in München. Sein Vortrag ist mit zahlreichen Bild und Tonbeispielen versehen.

Donnerstag, 19. November 2020
Prof. Dr. Uwe Hentschel (Chemnitz)

Die Utopie der vernünftigen Lust.
Zur erotischen Literatur des 18. Jahrhunderts

Ob Sozialkritik, Religionskritik oder Literaturkritik – auf fast allen Gebieten war das Zeitalter der Aufklärung bestrebt, Tabus und Dogmen zu durchbrechen und die Autonomie des Menschen zu postulieren. Dagegen bewegt sich das Verhalten der Autoren sowie das der bürgerlichen Leserschaft im Hinblick auf die Sexualität in einem seltsamen Widerspruch: Einerseits sollte die Sexualität als elementares Bedürfnis anerkannt werden, andererseits musste eben dieses Verlangen in der Öffentlichkeit verborgen werden. So liefern etwa die Gedichte des Königsberger Kriegs- und Steuerrates Johann Georg Scheffner (1736–1820) ein bezeichnendes Beispiel, wie schwierig es im Jahrhundert der Aufklärung war, sich öffentlich zu einer hedonistischen Erotik zu bekennen. Für Christoph Martin Wieland, selbst einer spielerischen Erotik zugeneigt, stellen die Texte Scheffners sogar „ekelhafte Obszönitäten“ dar. Angesichts der Schwierigkeiten, sexuelles Begehren offen und unverbrämt zur Anschauung zu bringen, betrieben viele Autoren einen immensen Aufwand, um unerkannt zu bleiben.
Der Referent lehrt Germanistik an der Technischen Universität Chemnitz.


2019

Donnerstag, 24. Januar 2019

Prof. Dr. Sabine Wienker-Piepho (Freiburg/Jena):
Goethe-Kitsch – ein kulturwissenschaftlicher Streifzug durch die Vermarktung eines Dichterfürsten
Bildergebnis für Goethe KitschKitsch ist ein Phänomen, das in allen Künsten und an nahezu allen Orten der Welt definiert, identifiziert und rezipiert wird: in der Bildenden Kunst, in der Literatur, in Musik, Film, Dekoration, Design und Reklame, in der Gestaltung von Gebrauchsgegenständen, bei Inneneinrichtungen und eben auch in der Goethe-Andenken-industrie. Um diese Art von gegenständlichem Kitsch wird es in diesem reich bebilderten Vortrag gehen. Er führt in den Diskurs um einen Begriff ein, den Goethe selbst noch nicht kennen konnte und geht rezeptionsanalytisch der kulturanthropologischen Frage nach, welche «Goethe-Artikel» die Menschen kauf(t)en und warum sie dies tun…
Ein spannender, humorvoller Beitrag der bekannten Freiburger Kulturanthropologin, die uns durch ihren Märchen-Vortrag bestens bekannt ist.

Donnerstag, 21. Februar 2019

«Männer, Männer, sie machen uns glücklich und elend…»
Ein Abend über die Frauen um Goethe mit ersonnenen Weiberworten, wo Quellen fehlen, bei Käthchen, Friederike, Lotte, Lili, Charlotte, Christiane, Minchen, Silvie, Marianne und Ulrike
von und mit Vicki Spindler (Berlin) und Matthias Mertens (Stralsund)

Himmelhochjauchzend waren sie, wenn Goethe sie liebte, zum Tode betrübt, wenn er sie verließ. Gekränkt blieben die einen und stolz oder verzeihend – versöhnlich die anderen, manche unverheiratet bis ans Lebensende, oder sie „entkamen“ noch an die Seite anderer Männer. Und nur eine blieb. Allen ist gemeinsam, dass Goethes Liebe ihre Namen unsterblich werden ließ, doch diesen Frauen und Mädchen verdanken wir im Umkehrschluss auch einige der schönsten goetheschen Werke und dass er wurde, wie wir ihn noch heute verehren.
Eintritt: 10 € (ermäßigt 8 €).

Donnerstag, 21. März 2019

Dr. Bertold Heizmann (Essen):

Im Schatten Goethes. August von Kotzebue

«Natur gab dir so schöne Gaben»: Ein vordergründiges Lob Goethes über August von Kotzebue, den wohl fruchtbarsten und seinerzeit berühmtesten deutschsprachigen Schriftsteller, der aber zugleich einer seiner ärgsten Widersacher war. Trotz dieser Gegnerschaft gibt es keinen Dramatiker, weder Schiller noch Iffland noch Goethe selbst, der unter der Intendanz Goethes am Weimarer Theater öfter aufgeführt worden wäre. Goethe musste hier, wenn auch widerwillig, dem Zeitgeschmack Tribut zollen. Die «schönen Gaben» entwertete Kotzebue selbst durch sein egoistisches und selbstgefälliges Auftreten; es mangelte ihm an jeglicher Selbstkritik. Politisch erzreaktionär und zudem im Verdacht stehend, ein Spion im Dienste Russlands zu sein, wurde er vor 200 Jahren, am 23. März 1819, von einem Burschenschaftler in Mannheim ermordet – diese Tat machte ihn berühmter als sein umfangreiches Werk, das heute weitgehend in Vergessenheit geraten ist. – Der Vortrag unternimmt allerdings den Versuch einer Ehrenrettung, insofern aufgezeigt wird, wie bereits der sensible und hochbegabte Knabe und später der zu Ruhm und Ansehen gelangte Schriftsteller sich an der übermächtigen Figur Goethes abarbeitete und zeitlebens darunter litt, von den ‹Großen› Weimars nicht anerkannt zu werden.

Donnerstag, 11. April 2019

Prof. Dr. Volker Hesse (Berlin):

Goethe und die Kinder
Nach einer kurzen Einführung über die Prägung Goethes als Kind wird sein gesamtes Leben in Bezug auf Beziehungen zu Kindern untersucht. Es geht zunächst um die Kinder der Freunde in Darmstadt, Wetzlar, in Weimar (Wielands und Herders Kinder), den Pflegesohn Fritz von Stein, Peter im Baumgarten, die eigenen Kinder und die Dramatik des Versterbens der vier Geschwister von August sowie dann auch um die besonders persönliche Beziehung zu den Enkeln.
Neben den direkten persönlichen Kontakten werden auch pädagogische Elemente erwähnt, so der Besuch in Basedows Philan-thropinum in Dessau mit Fritz von Stein bzw. der Besuch in der Salzmann-Schule in Schnepfental, den Goethe mit seinem Sohn August vorgenommen hat. Insgesamt stellt sich eine ziemlich vielschichtige Betrachtung, die vor allem die persönliche Seite zeigt, wobei auch durchaus auch Defizite erwähnt werden. Der reich bebilderte Vortrag des Berliner Kinderarztes zeigt eine wenig beachtete Facette von Goethes Persönlichkeit.

Donnerstag, 16. Mai 2019
Prof. Dr. Christian Grawe (Melbourne)
Kolossalerfolge jammervoller Dümmlinge.
Fontane und der populäre Roman seiner Zeit
Zum Fontane-Jahr 2019

Der Autor, der heute als der größte deutsche Romancier in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gilt, Theodor Fontane, fand zu seiner Zeit nur wenige Leser. Er litt unter seiner mangelnden Anerkennung und beklagte die «Trivialität unsrer Schmierer», womit er insbesondere zwei Romanciers mit Riesen-Auflagen meinte: Georg Ebers und Julius Stinde. Beide repräsentieren mit ihren Serien-Romanen ein beliebtes Genre der Zeit: Georg Ebers’ Altägyptische Erzählungen gehören zum historischen und Julius Stindes Geschichten der Familie Buchholz zum Berliner Roman. Während Ebers und Stinde damals den Markt beherrschten, gesteht man ihnen heute «in der Literaturgeschichte» kaum noch die »zwei Zeilen« zu, die Fontane auch sich selbst prophezeite. Vergleichende Beobachtungen an den Romanen der drei Autoren bestätigen Fontanes künstlerischen Rang im Unterschied zur plakativen Anspruchslosigkeit seiner beiden Konkurrenten.
Schwerpunkt der Forschung Christian Grawes ist das Werk Theodor Fontanes

Donnerstag, 27. Juni 2019
Christian Liedtke (Düsseldorf):
Überall und nirgends:
Heinrich Heines Denkmäler

47 Statuen in 10 Ländern auf 4 Kontinenten sind im Laufe von 123 Jahren für Heinrich Heine errichtet worden. Stets schlugen dabei ästhetisch-politische Debatten um die „Denkmal(un)würdigkeit“ des Dichters hohe Wellen, in seiner Geburtsstadt Düsseldorf genau wie anderswo. Christian Liedtke, Heine-Biograph und Archivar des Heinrich-Heine-Instituts, Düsseldorf, unternimmt eine virtuelle Weltreise zu den schönsten, kuriosesten und entlegensten Heine-Denkmälern. Mit vielen Bildern schildert sein Vortrag die Geschichten, Skandale und Diskussionen, die sich mit ihnen verbinden und in denen sich die Wirkungsgeschichte eines Dichters spiegelt, der niemanden gleichgültig lässt.
Von Christian Liedtke gibt es zahlreiche Bücher zu Heine. Zuletzt ist erschienen: HEINRICH HEINE. EIN ABC. Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg. Ein Lesevergnügen!

Donnerstag, 12. September 2019

Prof. Dr. Stefan Matuschek (Jena)

Goethe und die Mythologie
Die Mythologie ist nicht nur ein Reservoir an Figuren, Motiven und Ereignissen. Sie ist zugleich eine sich verändernde Idee vom Status und Wert künstlerisch-literarischer Darstellung. Um 1800 vollzieht sich deren radikalster Wandel. Was jahrhundertelang als konventionelles Zeichensystem galt, das Glanz und Ansehen, aber auch erotische und politische Freizügigkeit verschaffte, lädt sich mit utopischer Energie auf. Mythologie wird in ihrer affektisch-sinnlichen Dimension als menschlich-wahrhaftige Weltanschauungsform neu bewertet und als Zukunftsprojekt entworfen. Diese Entstehung des modernen Mythos-Begriffs kann man in Goethes Verwendung der Mythologie schrittweise nachvollziehen: vom Prometheus-Gedicht über die Wieland-Farce und Iphigenie bis zu Faust II. Goethes Werke sind ein Musterkatalog der Mythologie-Ideen um 1800.

Exkursion 2019

Auch in diesem Jahr soll wieder eine Exkursion durchgeführt werden, voraussichtlich vom 27. bis 29. September 2019.
Ziel soll die Goethestadt Bad Lauchstädt sein.

Hierzu erhalten Sie rechtzeitig gesonderte Informationen.

Donnerstag, 10. Oktober 2019

Dr. Wolfgang Pollert (Augsburg)

Der Ilmenauer Bergbau unter der Leitung
Goethes

Goethe leitete im Weimarer Staatsdienst verschiedene Fachkommissionen, darunter die für Bergbau. Kaum eine andere Aufgabe in seinem politischen Leben hat ihn so beschäftigt und seine Leistungskraft so beansprucht – aber auch eine der größten Enttäuschungen bereitet – wie der Ilmenauer Bergbau.
Sein Einsatz in diesem Spezialgebiet liefert ein getreuliches Beispiel für sein praktisches Handeln, er arbeitete sich sorgfältig in das für ihn zunächst fremde Fachgebiet ein, um in allen Bergbaufragen mitwirken zu können. Er handelte in Fürsorge für seine Bergleute, für das Wohl der Landeskinder und in Verantwortung für seinen Fürsten.
Der Referent – gebürtiger Oberhausener – versteht seinen Vortrag auch als einen Beitrag zum „Mythos Bergbau“.

Donnerstag, 21. November 2019

Dr. Hans Ulrich Foertsch (Recklinghausen)
Johanna Sebus – Tod am Niederrhein:

Im Mai 1809, vier Monate nach dem verheerenden Hochwasser am Niederrhein in der französisch besetzten Umgebung von Kleve, das viele Menschen obdachlos machte und in Armut stürzte, verfasste Goethe das Gedicht „Johanna Sebus. Zum Andenken der 17jährigen Schönen, Guten aus dem Dorfe Brienen, die am 13. Januar 1809 bei dem Eisgang des Dammes von Cleverham, Hilfe reichend, unterging“. Es war ein Gelegenheitsgedicht, das das aufopfernde Verhalten und den lebensgefährlichen Einsatz eines 17-jährigen Mädchens bei der Rettung von Menschen schildert. Die beispielhafte Tat wurde auch Napoleon berichtet, der anordnete, dass dem jungen Mädchen ein Denkmal errichtet werden sollte, das heute noch steht und an das Ereignis erinnert. Durch die Verbreitung des Gedichtes wurde die beispielhafte Tat der Johanna Sebus im westeuropäischen Raum berühmt.
Der Vortrag geht auf den geschichtlichen Kontext dieser Naturkatastrophe ein.

Ältere Vorträge im Archiv


2018

Donnerstag, 1. Februar 2018

Dr. Bertold Heizmann (Essen):

«Ach, Freund, wohin ist Goethe gesunken!». Ein Theaterskandal im klassischen Weimar und das Scheitern des Projekts ‹Romantisierung der Antike›

Ein mit großen Erwartungen vom Schauspieldirektor Goethe inszeniertes Drama des Frühromantikers August Wilhelm Schlegel (Ion, wie die Iphigenie nach einer altgriechischen Vorlage des Euripides) endet schon nach wenigen Aufführungen mit einem veritablen Skandal. Goethe übt Pressezensur aus, indem er eine kritische Rezension seines Erzfeindes Böttiger zu verhindern sucht. Die Zuwendung Goethes zu den Brüdern Schlegel und sogar die Freundschaft mit Schiller und Wieland werden auf eine harte Probe gestellt. Seine Gegner triumphieren. Das sieht nicht gut aus für Goethe. – Der Vortrag leuchtet die Hintergründe aus, wie es zum Scheitern der «Romantisierung der Antike» kam.

Donnerstag, 15. März 2018

Nina Weniger und Johanna Hessenberg (Berlin):

«Vom Sonnenaufgang».
Der Struwwelpeter-Autor
Heinrich Hoffmann als Psychiater.
Musikalisch-literarische Aufführung

Der Frankfurter Arzt Dr. Heinrich Hoffmann (1809-1894) wurde als Struwwelpeter-Autor weltberühmt. Sein Lebenswerk war jedoch die Reform der Psychiatrie Mitte des 19. Jahrhunderts. Als «Irrenhausdirektor» in Frankfurt am Main war seine Direktive, es müsse «vor allem so sein, dass der Eintritt des Arztes in eine Abteilung etwas vom Sonnenaufgang an sich habe.»
Nina Weniger, Schauspielerin und Ur-, Ur-, Urenkelin von Heinrich Hoffmann, berichtet in dieser Lesung, musikalisch begleitet von ihrer Schwester, der Saxophonistin Johanna Hessenberg, von Hoffmanns Werdegang als Arzt, von seiner Position als «Irrenarzt» und von einer Zeit, in der man Psychologie noch gar nicht studieren konnte. Natürlich wird der «Struwwelpeter» und seine – heute durchaus umstrittene – Pädagogik an diesem Abend ebenfalls eine Rolle spielen.
Eintritt: 10 € (ermäßigt 8 €).

Donnerstag, 12. April 2018, 18.00 Uhr
(Sonderveranstaltung in der Marktkirche [Markt 2, 45127 Essen] in Verbindung mit der Gesellschaft der Freunde und Förderer der Marktkirche e.V.)

Samet Er (Hannover):

«Orient und Okzident sind nicht mehr zu trennen» – Ein notwendiger Blick auf eine vergessene
Islam-Rezeption in Deutschland

Das Verhältnis zwischen Christentum und Islam ist derzeit auf eine harte Probe gestellt. Der «Islamismus» in seinen extremen Ausformungen lässt eine Tradition in den Hintergrund treten, die sich ideologiefrei mit dem Islam auseinandersetzt. Der Name der jüngst in Berlin eröffneten Ibn-Rushd-Goethe-Moschee sowie ein im Jahre 1995 erlassenes islamisches Rechtsgutachten, in dem Goethe zum Muslim erklärt wurde, lenken den Blick auf Goethe, der zweimal den Koran gelesen und den islamischen Glauben bewundert, aber durchaus auch kritisiert hat. Warum sich Goethe und andere deutsche Dichter und Philosophen mit dem Islam beschäftigt haben und was wir heute davon lernen können, wird uns der Theologe und Germanist Samet Er berichten, der beruflich als Deradikalisierungsberater in niedersächsischen Justizvollzugsanstalten unterwegs ist.

Donnerstag, 26. April 2018

Dr. Heiko Postma (Hannover):

«Ich denke und spreche nichts als von Goethen». Über den Schriftsteller und Adlatus Johann Peter Eckermann (1792-1854)

Neun Jahre lang, von 1823 bis 1832, stand sein Leben nahezu total im Zeichen Goethes. Er war der (unbezahlte) «Adlatus» des Dichterfürsten, sein unermüdlicher Helfer, Chronist, Gesprächspartner und Anreger, der dem Dienst am Meister alles unterordnete – sein Privatleben genauso wie seine beruflichen Perspektiven. Kurz gesagt, er war Goethes «Eckermann», und in diesem Belang ist sein Name geradezu sprichwörtlich geworden.
An spöttischen Auslassungen über den Getreuen hat es freilich – von Heine bis Walser – nicht gefehlt. Der Referent liefert ein Por-trät dieses Schriftstellers, der in kargsten Verhältnissen aufgewachsen war, der unter größten Entbehrungen nach «Bildung» strebte und der schließlich in Weimar das Ziel aller Mühen fand – bei «seinem» Goethe. Und selbstverständlich gibt es dazu allerlei aufschlussreiche Passagen aus den Gesprächen mit Goethe, dem Buch, das Eckermanns Nachruhm unvergänglich machte.

Donnerstag, 17. Mai 2018

Dr. Nikolaus Gatter (Köln):

«Für die Großherzogin einige Blumen ausgeschnitten».
Karl August Varnhagen von Ense am Hof der Maria Pawlowna und sein Plan zur Gründung einer Goethe-Gesellschaft

Der Erzähler, Biograph, Tagebuchschreiber und Diplomat Karl August Varnhagen von Ense weilte mehrfach in Weimar, war mit Goethe befreundet und unterhielt einen regen Briefwechsel mit der Großherzogin Maria Pawlowna. Er hat dort an der großherzoglichen Tafel nicht nur «zum ersten Mal in [s]einem Leben Wurstsuppe» gegessen, sondern auch «für die Großherzogin einige Blumen ausgeschnitten». Nikolaus Gatter, Vorsitzender der Varnhagen-Gesellschaft in Köln, berichtet über eine dieser «Blumen», nämlich über einen bislang unbekannten Entwurf zur Gründung einer «Goethe-Gesellschaft» als einer Art Akademie der Künste und Wissenschaften, den Varnhagen 1834 vorlegte (und der dann an Metternich scheiterte).
Der Vortrag wirft somit ein denkwürdiges Schlaglicht auf die Vorgeschichte der deutschen Goethe-Gesellschaften.

Donnerstag, 7. Juni 2018

Barbara Kiem (Freiburg i. Br.):

Johann Gottfried Herders Betrachtungen zur Musik

Was empfinden wir beim Hören von Musik? Wie wird die Wahrnehmung von Tönen in seelisches Erleben umgesetzt? In immer neuen Anläufen hat Johann Gottfried Herder, ein unermüdlicher Prediger der Humanität und einer der großen geistigen Anreger des 18. Jahrhunderts, die ‹Psychophysiologie› der Sinne zu ergründen versucht.
Herders musikgeschichtliche Bedeutung wird stets in Zusammenhang mit seinen Volksliedsammlungen und deren Wirkungsgeschichte gesehen. Der Vortrag zeigt eine seiner weniger bekannten Seiten: seine Teilnahme an der musikästhetischen Diskussionen seiner Zeit – allerdings eher als Kritiker. Er beklagte, dass niemand sich um das Wich­tigste kümmere: wie nämlich der Ton als Ton auf die menschliche Seele wirke. Keine der Theorien sei fähig, die Empfindungen zu erklären, die den Menschen beim Hören von Musik bewegen können.
Barbara Kiem ist uns durch ihre feinsinnigen Vorträge über die ‹Arabeske› sowie die ‹Äolsharfe› bestens bekannt.

Donnerstag, 6. September 2018

Prof. Dr. Hans-Joachim Kertscher (Halle)

Begegnungen mit der Antike: Klopstock, Wieland, Voß und Goethe
Seit der Aufklärung ist man sich einig, in der Literatur und bildenden Kunst der griechischen Antike Vorbilder für die eigene Programmatik zu finden. Aber wie sollte dieser Prozess der Aneignung vonstattengehen? Hinsichtlich der Kunst kam seit Winckelmann nur der Gedanke der Mimesis, der Nachahmung, in Frage. Die Rezeption literarischer Werke hingegen konnte nur durch geeignete Übersetzungen ins Deutsche in Gang gebracht werden. Doch hier schieden sich die Geister. Wie kann der griechische Hexameter in einen deutschen umgewandelt und damit auch dem deutschen Hör- und Lesevergnügen nahegebracht werden? Der Vortrag stellt Übersetzungs-Modelle von vier bedeutenden Dichtern (Christoph Martin Wieland, Johann Heinrich Voß, Friedrich Gottlieb Klopstock und Johann Wolfgang Goethe) vor, die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts Anlass zu heftigen Auseinandersetzungen boten.

Exkursion

Auch in diesem Jahr soll wieder eine Exkursion durchgeführt werden:
vom 28. bis 30. September nach Marbach am Neckar. Nähere Informationen beim Vorstand

Donnerstag, 11. Oktober 2018

Dr. Jürgen Klose (Dresden)

Verlorene Söhne, verlorene Töchter.
Bemerkungen zu Karl Mays Kolportageroman Der verlorne Sohn

Im Mittelpunkt des Vortrags steht der dreitausendseitige Kolportageroman Der verlorne Sohn. Zwar sind alle Karl-May-Texte mehr oder weniger verschlüsselt autobiographisch, doch in keinem anderen Werk werden die Bezüge so kompakt sichtbar. Handlungsorte sind nur geringfügig verfremdet – Dresden, das Erzgebirge und Mays Zuchthausstation Waldheim. Der Referent – Vorsitzender der Goethe-Gesellschaft Dresden – versucht, soweit dies ein Germanist kann, auch eine psychologische Deutung. Außerdem werden Relationen zu den großen Motiv- und Konstruktionsvorläufern Die Geheimnisse von Paris von Eugene Sue und dem Grafen von Monte Christo des älteren Dumas herausgearbeitet. Überraschend ist zudem, was Karl May und Amy Winehouse verbindet …

Donnerstag, 15. November 2018

Dr. Dieter Strauss (München)

Faust ist einer von uns oder: Zum Teufel komm raus. Teufelspakt und Erlösung bei Johann Wolfgang von Goethe, Thomas und Klaus Mann
Eine Reise durch Thomas Manns Doktor Faustus, Goethes Faust I und II sowie Klaus Manns Mephisto. Sie paktieren alle mit dem Satan, der neue Faust Thomas Manns, der klassische Faust und Klaus Manns Generalintendant. Eindeutig gerettet wird nur einer und Deutschland geht zweimal unter. Geht dabei alles zum Teufel?
Als Weggefährten begleiten wir diese fanatischen Ich-Shows, diese rastlosen Reisen vor allem durch das 19. und 20. Jahrhundert. Man glaubt dabei, die Bücher zu hören und die deutschen schicksalhaften Katastrophen vor Augen zu haben, die nicht aufhören dürfen, uns zu beschäftigen, weil sie wiederkehren können.

Der Referent Dieter Strauss ist Germanist, arbeitete 33 Jahre für das Goethe-Institut in vier Kontinenten und lebt heute als freier Sachbuchautor, Referent und Ausstellungsorganisator in München. Er bereitet derzeit ein Buch zu dem Faust-Stoff vor.


2017

Donnerstag, 9. Februar 2017

Prof. Dr. Volkmar Hansen (ehemaliger Direktor des Goethe-Museums Düsseldorf):

Flucht und Vertreibung bei Goethe

1792, mit der Kriegserklärung Frankreichs, beginnen 23 Jahre europäischer Abwehr von Revolution und Napoleon. Die Kriegserlebnisse am Rhein, an denen Goethe aktiv beteiligt ist, schildert er dreißig Jahre später autobiographisch in der Campagne in Frankreich und der Belagerung von Mainz, jedoch unmittelbar, in patriotischer Absicht, fließen seine Erfahrungen in den Erzählzyklus Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten, spiegelnd den Winter 1792/93, und die bürgerliche Idylle Hermann und Dorothea, spiegelnd den August 1796, ein. Um nicht zu einem Unglücksboten zu werden, gibt er seine Rolle als politischer Intellektueller danach bis zur Befreiung 1814 auf.

Donnerstag, 9. März 2017

Dr. Bertold Heizmann (Essen):

«Eigentlich ein Hund, dieser Goethe».
Gottfried Benn zwischen Ablehnung und Verehrung Goethes

In einer Nachbemerkung zu seinem Aufsatz Goethe und die Naturwissenschaften schreibt Benn, er habe sich dem Thema «weder als professioneller Philosoph noch Biologe noch Goetheforscher» zuwenden können, sondern habe Goethe «nur als Erleber und darstellender Schriftsteller gerecht zu werden» versucht. Eben diese Rolle als «Erleber» macht die Besonderheit der schillernden Rezeption Goethes durch Benn aus. Immer wieder rechnet Benn zynisch, empört, gallig mit Goethes «Geheimratsbehaglichkeit» ab (wozu auch dessen Lebensführung gehört) – und doch ist er fasziniert von Goethes Sinn für Würde und Maß und dessen Abstand von Zeitereignissen. Hierin sieht Benn einen Selbstschutz – und diese Einstellung des Künstlers nimmt auch er für sich selbst in Anspruch. So ist Benns intensive Auseinandersetzung mit Goethe auch ein stets Ringen um sein dichterisches und persönliches Selbstverständnis.

Donnerstag, 27. April 2017

Prof. Dr. Alexander Košenina (Hannover):

Rinaldo Rinaldini und Konsorten. Andere ‚Klassiker‘ der Goethezeit

Was haben die Deutschen wirklich gelesen, während ihre Klassiker schrieben? Der Renner war zweifellos die Räuberpistole von Goethes Schwager Vulpius. Und auf der Bühne triumphierten die Stücke von Iffland und Kotzebue. Wer also etwas über die ‹wahren› Verhältnisse der Zeit erfahren will, wird hier fündig – und nicht in Schillers oder Goethes klassischen Dramen.

«Ende des achtzehnten Jahrhunderts hielten die meisten Menschen Vulpius, den Verfasser des Rinaldo Rinaldini, für einen größeren Dichter als seinen Schwager Goethe.»
Egon Friedell

Donnerstag, 18. Mai 2017

Dr. Dieter Strauss (München):

Julia da Silva Bruhns – die starke Brasilianerin hinter der Schriftstellerfamilie Mann

Dass die Mutter Thomas und Heinrich Manns Brasilianerin war und 1851 mitten im Urwald bei Rio de Janeiro geboren wurde, wissen selbst manche Germanisten nicht. Ihr Weg führte vom «Glück in den Tropen» in das – für Thomas Mann – «mittelalterliche Lübeck» und die Ehe mit dem Finanzsenator Mann und endete nach dem frühen Tod des Senators 1891 mit ihrer Befreiung in die Bohèmestadt München. Ein Leben zwischen den Kulturen, das für das spätere Exil und Weltbürgertum ihrer Schriftstellersöhne Heinrich und Thomas sowie für dessen Künstlerkinder prägend war. – Es werden ihre drei Lebensetappen in Brasilien, Lübeck und München besprochen, ferner ihr Einfluss auf das literarische Werk ihrer Söhne Thomas und Heinrich.
Dr. Dieter Strauss leitete die Goethe-Institute in Santiago de Chile und in São Paulo.

Donnerstag, 29. Juni 2017

Prof. Dr. Jörg Wesche (Essen):

Schwierige Geschichte. Bilder der Frühen Neuzeit in Goethes Werk

«Im Sinne des Mittelalters» – So überschreibt Goethe die berühmte Laboratoriums-Szene im zweiten Teil seines Faust. Gegeben ist damit ein historisch anachronistisches Stichwort, wenn man heute beim 16. Jh., in dem der Stoff mit Faust-Historia (1587) verwurzelt ist, von der «Frühen Neuzeit» spricht.

Prof. Wesche ist Germanist an der Universität Duisburg-Essen und Mitglied der Goethe-Gesellschaft Augsburg.

Donnerstag, 7. September 2017

Hartmut Heinze, M.A. (Berlin)

Goethe und 1001 Nacht

Goethe hat sich lebenslang mit der orientalischen Märchenwelt beschäftigt. „1001 Nacht“ gehört zu den wenigen Lieblingsbüchern, aus denen sich Goethe immer wieder Anregungen für sein Schaffen holte. Viele Motive, Situationen, ganze Handlungsabläufe sind ohne den Einfluss der Scheherasade undenkbar. Dies gilt v.a. für die Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten, Wilhelm Meister, die Novelle und insbesondere für Faust II (1.-3. Akt).
Hartmut Heinze ist uns durch seine von profunder Kenntnis zeugenden Vorträge, etwa über den Westöstlichen Divan oder über den Maler Friedrich Bury, bestens bekannt.

Donnerstag, 12. Oktober 2017

Martin Blum (Görlitz / Ingolstadt)

«Frei wie Wolken, fühlt was Leben sei!»
Wolken als Sinnbild bei Goethe

«Der Kopf gleitet in den Nacken. Der Blick steigt himmelwärts. Wir sehen, nein, keine Sonne, keinen Mond, keine Sterne und auch keine Nordlichter. Was wir erblicken sind Wolken. Um genau zu sein handelt es sich um Lyrikwolken. […] ‹Romantisch› ausgedrückt: Goethe hat die Lyrikwolken mit seinem großen poetischen Atem an den blauen Himmel gepustet. Danach blies er sie vom Firmament, gab ihnen formvollendete Gestalt, um sie schließlich gehaltvoll auf das Papier zu übertragen. Lyrikwolken wurden Wolkenlyrik. Goethe war ein Wolkenpoet.»
(Auszug aus dem Essay, mit dem Martin Blum 2015 den Essaywettbewerb der Goethe-Gesellschaft Weimar gewann.)

Donnerstag, 16. November 2017

Dr. Egon Freitag (Weimar):

«Die Göttin der Schönheit sollte gar keine Falten haben».
Wieland als erotischer Schriftsteller

Christoph Martin Wieland, der erste deutsche Shakespeare-Übersetzer und Verfasser des Agathon und des Oberon, erwarb sich auch bleibende Verdienste als Autor erotischer Verserzählun­gen und Befürworter einer natürlichen Sinnlichkeit. Es war vor allem der erotische Reiz, die Anmut und Leichtigkeit seines Stils, wodurch Wieland ein Bestseller-Autor des 18. Jahrhunderts wurde. – Erfrischend heiter wirken seine Verse noch heute, wie z.B.: «Ein Busen reizt, der, jugendlich gebläht, / Die Augen blend’t und niemals stille steht».
Dieser Silbentanz gefiel auch dem jungen Goethe. Dieser konnte es gar nicht erwarten, bis diese Verserzählung erschienen war, sondern er verschlang die vergnüglichen Verse bereits in den Aushängebögen. Ja, Goethe lernte – wie er berichtet – sogar «jedes Blatt davon auswendig».
Egon Freitag ist Verfasser einer Wieland-Biographie sowie des Büchleins «Wieland zum Vergnügen».


2016

Sonntag, 10. Januar 2016, 17.00 Uhr
Festliches Konzert zum Jahresauftakt
Neujahrsempfang zur feierlichen Begründung
der Kooperation zwischen dem
ChorForum Essen und der
Goethe-Gesellschaft Essen e.V.

Kantanten und Sonaten von G. F. Telemann und J. S. Bach

Besetzung:
Katharina Borsch – Sopran
Salome Hügen – Blockflöte
Tobias Sykora – Violoncello
Alexander Eberle – Orgelpositiv & Cembalo

Donnerstag, 28. Januar 2016

18.00 Uhr – Ort: ChorForum Essen, Fischerstr. 2-4

Jahreshauptversammlung der Goethe-Gesellschaft Essen e.V.

Hierzu wird noch gesondert eingeladen

Im Anschluss (19.30 Uhr):

Vortrag von Prof. Dr. Helmut Schanze
(Aachen) über «Goethe und die Musik»

Donnerstag, 28. Januar 2016

Prof. Dr. Helmut Schanze (Aachen):

«Das Musikalisch-Hörbare» – Goethe und die Musik
Unausrottbar scheint das Vorurteil, dass Goethe von Musik wenig verstanden habe. Dass er von Mozarts Musikalität bis ins höchste Alter förmlich deprimiert war, dass er den überaus schwierigen Beethoven über Tage in Teplitz ausgehalten hat, dass er nicht antwortete, als Franz Schubert um Protektion der Publikation der Kompositionen seiner Lieder bat – alles dies hat Goethes notorisches Unverständnis der Musik eher besiegelt als widerlegt. Seine hoch musikalische Dichtung, exemplarisch in seiner Lyrik, bis zum «Hauptgeschäft», dem Faust, aber beweist das Gegenteil. Goethe stellt eine Theorie des «Musikalisch-Hörbaren», der «Taten und Leiden» des Klangs auf. Sein Versuch, die musikalischen Wirkungen zu beschreiben, scheint durch den romantischen «Mythos Musik» und die Autonomieästhetik um 1800 als überholt. Seine Frage aber, wie auch seine poetischen Antworten, was und wie wir mit unserem sensibelsten Organ, dem «Ohr», «Töne» produktiv als «Musik» wahrnehmen, sind bis heute aktuell.

Donnerstag, 10. März 2016

Dr. Helmut Förster / Dr. Bertold Heizmann (Essen):

«Gottlob! Der Hermann gewann die Schlacht…»
Die Varusschlacht – Geschichte und Mythos

Die Varus- oder Hermannschlacht bewegt seit 2000 Jahren die Gemüter. Es gibt einige verlässliche Daten, aber darüber hinaus eine Unzahl von Spekulationen und Theorien. Der Frage, wo und wie die Schlacht stattfand, geht Helmut Förster mit Hilfe neuerer – auch privater – akribischer Forschungen nach. Einen literaturhistorischen Hinweis liefert sodann die altnordische Edda, aus der wir einen überraschenden Zusammenhang zwischen dem Arminius- und dem Siegfried-Mythos entnehmen können – und zwar Jahrhunderte vor der von Heine bespöttelten nationalistischen Ausbeutung des Themas im 19. Jahrhundert. Mit diesem Zusammenhang lassen sich Schauplatz und Ablauf der Varusschlacht weiter eingrenzen.

Donnerstag, 7. April 2016
Prof. Dr. Sabine Wienker-Piepho (Jena/Zürich):

Goethes «Märchen» – ein Volksmärchen?

In diesem Vortrag soll Goethes Kunstmärchen auch einmal auf der Folie der Volksmärchendefinitionen vermessen werden: gibt es Gemeinsamkeiten, und wo liegen die Unterschiede? Die Referentin (Dozentin für historisch-vergleichende volkskundliche Erzählforschung an den Universitäten Jena und Zürich) zeigt, inwieweit Goethe populäre Motive aufgegriffen und wie er sie verändert hat. Sein viel interpretierter, aber immer noch rätselhafter Text, der bis heute Vielen zu ‹künstlich› und absichtsvoll mystifizierend vorkommt und zu wirklich «verwegenen Exegesen» geführt hat, wird so in einen neuen Diskurs gesetzt und zugänglich gemacht.

(Es empfiehlt sich, den Text vorher zu lesen.)

Wir weisen noch darauf hin, dass sich bei den Terminangaben ein Fehler eingeschlichen hat. Der Vortrag von Dr. Fabian Wolbring über „Rap“ findet nicht, wie angezeigt, am 12. Mai, sondern am 19. Mai, also eine Woche später, statt. Wir bitten um Beachtung.

Donnerstag, 19. Mai 2016

Dr. Fabian Wolbring (Essen):

«Rap meets Goethe». Über Sinn und Unsinn von Rap-Adaptionen klassischer Gedichte im Deutschunterricht

Rap ist die populärste und einflussreichste Lyrikform der Gegenwart und erfreut sich gerade unter Schülerinnen und Schülern größter Beliebtheit. Zunehmend versucht die Schule, diese Rap-Begeisterung als Motivationshilfe nutzbar zu machen, so dass unter dem Stichwort Rapucation bereits eine Vielzahl didaktischer Konzepte und Materialen entwickelt wurde, durch die Schulinhalte eine «coole Rap-Ästhetik» gewinnen sollen. Hierzu zählen auch Rap-Adaptionen bzw. Remixe kanonischer Gedichte.

Der Vortrag nimmt nun exemplarisch einige «Goethe-Raps» unter die Lupe und fragt dabei (mit aller gebotenen Skepsis): Taugt der ‹Dichterfürst› auch als Rapper?
Donnerstag, 9. Juni 2016

Prof. Dr. Christoph Wingertszahn (Direktor des Goethe-Museums, Düsseldorf):

«Er ist wie ein jüngerer Bruder von mir» – Goethe und Karl Philipp Moritz

Zu den wenigen zeitgenössischen Schriftstellern, die Goethe vorbehaltlos schätzte, gehörte der vielseitige Karl Philipp Moritz (1756-1793). In einer erstaunlichen Äußerung würdigte der Weimarer Klassiker den Jüngeren als einen engen Geistesverwandten: Moritz «ist wie ein jüngerer Bruder von mir, von derselben Art, nur da vom Schicksal verwahrlost und beschädigt, wo ich begünstigt und vorgezogen bin» (Goethe am 14. Dezember 1786 an Charlotte von Stein). Moritz seinerseits verehrte Goethe als Leitstern; beide Denker arbeiteten zur gleichen Zeit an einer ähnlichen Ästhetik und beeinflussten sich gegenseitig. Durch Goethes Vermittlung gelangte Moritz als Professor an die Berliner Akademie der Künste; der enge Austausch zwischen Berlin und Weimar ist im Briefwechsel der beiden Autoren dokumentiert. Der Vortrag beleuchtet die Parallelviten der beiden verwandten und doch auch verschiedenen Schriftsteller.
Donnerstag, 7. Juli 2016

Barbara Kiem (Freiburg i. Br.):

„Ihr kommet, Winde, fern herüber …“ –
Von Harfen und Äolsharfen – ein literarisch-musikalischer Bilderbogen

Wie die Harfe, so ist auch die Äolsharfe mit uralten Traditionen verbunden. In vielen Kulturen kannte man das Phänomen, dass Instrumente ohne menschliches Einwirken zu tönen beginnen. Wenn der Lufthauch über die Saiten streicht, klingt die Harfe auf, wie von Geisterhänden berührt. Im Rauschen der Äolsharfen meinte man, überirdische Stimmen zu vernehmen.– In Europa wurde die Windharfe im 18. Jahrhundert wieder entdeckt. Sie verbreitete sich zunächst in England und gehörte bald zum beliebten Requisit der Landschafts­gärten.
Zum Ende des Jahrhunderts erreichte diese Mode auch Frankreich und Deutschland. Alle gebildeten Gesellschaftsschichten gaben sich diesem Gefühlskult hin. Beson­ders von den Dichtern, auch von Goethe, wurde die Äolsharfe als symbolträchtiges Motiv gefeiert und je nach Weltanschauung unterschiedlich gedeutet.

Donnerstag, 8. September 2016

Prof. Dr. Volker Harlan (Ottersberg / Witten-Herdecke):

Esoterischer Buddhismus, Goethes Welt-Anschauung,
exakte Naturwissenschaften.

Der Referent zeigt drei Wege auf, sich der Wirklichkeit zu nähern.
Ostasiatische Kulturen haben eine lebendige animistische Tradition, die in verschiedenen täglichen Ritualen mit Rauch oder Feuer, mit Blumen und Früchten gepflegt wird. Denn: Alles ist voll von Göttern! Für die westliche Welt liegen die Ursachen aller Erscheinungen im Untersinnlichen: In elektroschwachen und starken Wechselwirkungen. Alles ist Materie oder Energie, mittels derer eine neue seelenlose synthetische Kunst-Stoff-Welt geschaffen wird. Goethe riet: Man suche nur nichts hinter den Phänomenen, sie selbst sind die Lehre. Er suchte mit zarter Empirie Begegnung mit der Welt der Sinne und ordnete Phänomene in Reihen zu Urphänomenen. So kam er zu geistigen Erfahrungen, die nicht auf Glauben basieren, sondern auf Anschauung. Erst die Synthese dieser drei Welt-Anschauungen würde wohl der Wirklichkeit und dem ganzen Menschen gerecht

Zeichnung von Helmut Förster
voraussichtlich 23.-25. September 2016:

Exkursion

Thüringen (Pößneck / Großkochberg)

Ein «nahrhaftes Städtchen», so nannte Goethe Pößneck, als er 1795 zum ersten Mal (und dann weitere 17 Male) in Pößneck weilte. Die Legende sagt, dass Pößneck der Ort ist, in dem das Epos «Hermann und Dorothea» spielt.

Geplant ist ein Halbtagesausflug in das nahe gelegene Schloss Großkochberg (das vom «voritalienischen» Goethe so gern besuchte Schloss der Frau von Stein) mit seinem wunderschönen Liebhabertheater.

Donnerstag, 6. Oktober 2016

Dr. Letizia Mancino (Heidelberg)

Die Katze in Goethes Bett (Lesung)

Die Römerin Letizia Mancino ist promovierte Architektin, Malerin mit zahlreichen Ausstellungen, zugleich Vorsitzende der Goethe-Gesellschaft Heidelberg. Ihre Katzenbilder sind auf www.letizia-mancino.eu zu bewundern. Heute stellt sie ihr heiter-ironisches Buch «Die Katze in Goethes Bett – Goethes schwierigste Liebesbeziehung in Rom» vor.

Aus dem Vorwort von Prof. Volkmar Hansen (ehem. Direktor des Goethe-Museums, Düsseldorf):
«Bin ich eben noch ganz sicher, daß wir einen authentischen Goethe-Text vor uns haben, dann schmuggelt sie [Letizia Mancino] schon ihre mutwillige Fortschreibung unter, schafft ihr eigenes Programm an Dichtung und Wahrheit […]. Für sie ist die artistische Täuschung ein Katzensprung – uns bleiben die Kratzer des Vexierspiels».

Donnerstag, 10. November 2016

«Und minder ist oft mehr»
Öffentliche Aufführung des Renaissance-Theaters, Berlin

In einer kalten Februarnacht des Jahres 1807 sitzt der große deutsche Dichter Christoph Martin Wieland am Fenster und starrt hinaus in das Schneetreiben über der Stadt Weimar. Seine Cousine und Lebensfreundin Sophie La Roche ist im fernen Offenbach zu Grabe getragen worden. Unter dem Eindruck dieses Verlustes beginnt Wieland einen stummen Dialog mit der Toten. Voller Wehmut und Dankbarkeit lässt er die wichtigen Stationen seines Lebens vor dem inneren Auge Revue passieren. Erste Erfolge als Dichter und Shakespeare-Übersetzer, Rivalität und spätere Freundschaft mit dem originellen Johann Wolfgang von Goethe und dem Heißsporn Schiller, dazwischen die schmerzhaften und die erfüllten Liebesgeschichten eines langen Lebens.

Autorin: Vicki Spindler; Darsteller: Jens-Uwe Bogattke


2015


Mittwoch, 4. Februar 2015

Barbara Kiem (Freiburg i. Br.):
Die reizende Symmetrie von Widersprüchen – Über die Arabeske in den Künsten

Die leichte, spielerische Arabeske – eigentlich ein Begriff aus der bildenden Kunst – weist auf die Manier hin, mit stilisierten Blatt- und Blumenranken Rahmenleisten von Gemälden auszuzieren. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts wird das Arabeskenhafte als eine Ausdrucksmöglichkeit der uneingeschränkten Fantasie entdeckt. Friedrich Schlegel, Novalis, Tieck oder Brentano erheben die Arabeske sogar zum zentralen ästhetischen Modell. Die Frühromantiker wollen die Grenzen und Regeln der einzelnen Künste überschreiten. Barbara Kiem ist durch zahlreiche Veröffentlichungen und Radio-Features zur Musik-, Kunst- und Literaturgeschichte hervorgetreten.

Mittwoch, 11. März 2015

18.00 Uhr, Bürgermeisterhaus, Essen-Werden, Heckstraße 105

Jahreshauptversammlung der Goethe-Gesellschaft Essen e.V.

Hierzu wird noch gesondert eingeladen.

Mittwoch, 11. März 2015

Offene Veranstaltung im Bürgermeisterhaus
(19.30 Uhr, im Anschluss an die Jahreshauptversammlung)

Bernd Kemter / Cornelius Hermann (Gera):
«Liebreitzende, item bösartige Frauenzimmer am Weimarer Hofe».

Heiteres literarisch-musikalisches Programm Bernd Kemter, Autor, Schauspieler und zugleich Vorsitzender der Goethe-Gesellschaft Gera, führt, zusammen mit seinem Partner Cornelius Hermann (Cello), der 36 Jahre lang bei den Salzburger Festspielen mitwirkte, ein heiteres literarisch-musikalisches Stück «Liebreitzende, item bösartige Frauenzimmer am Weimarer Hof» auf. Augenzwinkernd plaudert Bernd Kemter in der Rolle des Kammerherrn Melchior von Stollberg über allerlei Liebes- und Ehenöte sowie amouröse Abenteuer aus der damaligen höheren Gesellschaft. 

Mittwoch, 15. April 2015

André Eisermann, Träger des Bundesfilmpreises («Kaspar Hauser», «Schlafes Bruder» usw.):
GOETHE-WERTHER-EISERMANN
Szenisch-literarisches Programm.
In Verbindung mit dem Grashof- und dem Goethe-Gymnasium, Essen.
Ort: Grashof-Gymnasium, Grashofstr. 55-57, 45133 Essen

Hierzu wird noch gesondert eingeladen.

Mittwoch, 22. April 2015

Hartmut Schmidt (Museumsdirektor a.D., Wetzlar):
«…Wenn sie mich an sich lockte/ War Rede nicht im Brauch…»
Goethe über Reden und Schweigen

Es sind nicht nur die intimen Momente, in denen das Reden in Goethes Dichtung verstummt und das Schweigen beredt wird. Die Pole von Reden und Schweigen umschließen eine Fülle von Nuancen der Mitteilung oder ihres Gegenteils in ebenso vielen unterschiedlichen Lebenssituationen. Das leichte Parlieren in Gesellschaft hat sein Recht, und taktvoll zu schweigen kann tröstlich und heilsam sein. Mit dem Schweigen verschwägert ist das Geheimnis, mit dem Reden der Verrat.

Einen herausragenden Aspekt des Sprechens und der Sprache bei Goethe ins Bewusstsein zu heben ist das Ziel des Vortrags.

Mittwoch, 27. Mai 2015

Christian Liedtke, M.A. (Heinrich-Heine-Institut, Düsseldorf)
«Das Bier in Weimar war wirklich gut». Heine und Goethe

Als «der große Heide Nr. 2», wie er sich selbst einmal nannte, stellte Heinrich Heine sich in die Nachfolge Goethes – zugleich aber kritisierte er die politische Indifferenz und «Kunstbehaglichkeit» des Vorbildes, das nach seiner Ansicht nicht in die moderne Zeit des «Ideenkampfes» passte. Zwischen diesen beiden Polen bewegte sich die lebenslange Auseinandersetzung Heines mit Goethe, die der «Dichter der Liebe der Revolution» manchmal polemisch, manchmal poetisch, aber immer originell und produktiv führte.

Mittwoch, 24. Juni 2015

Prof. Dr. Ludolf von Mackensen (Kassel):
Alchemistische und rosenkreuzerische Impulse in Goethes Leben und Werk

Der Vortrag geht der aufschlussreichen Frage nach, ob und inwiefern Goethe in seinem Leben, seinen Werken und seiner Naturforschung von alchemistisch-hermetischen Gedanken geleitet war. Die Alchemie und das rosenkreuzerische Ideengut erweisen sich dabei als ein wesentlicher, weithin noch zu wenig erkannter Bestandteil von Goethes spiritueller hintergründiger Weltsicht und Inspiration, ohne die sein Werk und seine Kreativität nicht tiefer zu verstehen sind. Eine Weltauffassung, mit der er in «in Geheimnissen wandelte» und auch eigene Geheimnisse bewusst verbarg.

Mittwoch, 23. September 2015

Dr. Wolfgang Pollert (Augsburg):
Das Geld in Goethes Dichtung und Politik

Über den täglichen persönlichen Umgang hinaus spielte das Geld für Goethe auf zwei weiteren Ebenen eine Rolle: in seiner Dichtung sowie in seiner amtlichen Tätigkeit im Weimarer Staatsdienst. Wolfgang Pollert, der über Goethes Amtliche Schriften promoviert hat, geht diesem Komplex in mehreren Schritten auf den Grund: Das Geld in Goethes Privatleben, Goethes ökonomisches Wissen, Das Geld und die Steuern in Goethes literarischem Werk (insbesondere im «Faust») und Goethe und die Staatsfinanzen. Dr. Pollert ist Vorstandsmitglied der Augsburger Goethe-Gesellschaft.

Mittwoch, 28. Oktober 2015

Dr. Christoph Michel (Freiburg i. Br.):
Goethes «Mondscheine»

Trotz aller Reverenz vor dem «Prachterscheinen» des Tagesgestirns Sonne war Goethe lebenslang stärker von der suggestiven Macht des Mondes fasziniert; davon legt nicht nur sein poetisches, sondern deutlicher noch sein bildkünstlerisches Werk Zeugnis ab. Mit diesem vor allem beschäftigt sich der Vortrag, der anhand ausgewählter Bilder (korreliert mit Texten Goethes) Wandlungen der «Valeurs» in Goethes Darstellung des Mondes aufzeigt: von den ‘empfindsamen’, durch die Liebe zu Frau von Stein tingierten, intimen Bilder des ersten Weimarer Jahrzehnts über die theatralischen Inszenierungen der italienischen Mondlandschaften, den an exakt physikalischen Wiedergaben des Phänomens Mondlicht interessierten nachitalienischen Zeichnungen bis hin zu den symbolischen Monddarstellungen im Zeichen der ‹Aussöhnung› der Gestirne in der neuen Liebes-Konstellation in der «Divan-Zeit».

Mittwoch, 25. November 2015

Dr. Nikolaus Gatter (Köln):
«Goldkörner» oder «Kehricht»? Wenn Briefe Literatur werden

Dass der Briefwechsel zwischen Goethe und Schiller zur Weltliteratur gehört, ist heute unbestritten. Nichtsdestoweniger war die Resonanz im 19. Jahrhundert sehr unterschiedlich: Wolfgang Menzel sprach von «Kehricht» (Wen interessiert schon der Hasenbraten, den Goethe an Frau von Stein geschickt hat?), Varnhagen dagegen sah in den Briefen «ein Ganzes der Literatur und des Lebens», ein «Kalifornien», in dem sich «immer neue Goldkörner» finden. Ausgehend von diesem Mu-sterfall geht der Vortrag auf die ethische Be- oder meistens Verurteilung der Briefliteratur des 19. Jahrhunderts ein. Editionen aus Briefmappen verstorbener Zeitgenossen kamen im 19. Jahrhundert in Mode und sind seit jeher heftig umstritten.
Nikolaus Gatter, Vorsitzender der Varnhagen-Gesellschaft, Köln, ist uns durch seinen «Salon»-Vortrag vor zwei Jahren noch bestens bekannt.


2014

Mittwoch, 19. November 2014

Prof. Dr. Volker Dörr (Düsseldorf):
«Gründliche Kenntnis» für das «edelste Publikum».
Zum Verhältnis von Natur und Kunst in Goethes ‹klassischer› Ästhetik
Auch Goethe nutzte gesellschaftliche Zusammenkünfte für gemeinsame Bildungserlebnisse, vor allem im Blick auf Natur und Kunst. Ausgehend von der von ihm begründeten Freitagsgesellschaft, beleuchtet der Vortrag die Vorstellungen des Verhältnisses von Natur und Kunst, die Goethe in seiner ‹klassischen› Phase vertreten hat, und fragt dabei auch nach der Rolle des Publikums: der Teilnehmer an der Freitagsgesellschaft ebenso wie der Leser, etwa seiner Zeitschrift «Propyläen». Diese Beobachtungen erlauben schließlich Rückschlüsse auf Goethes Verhältnis zur frühromantischen Ästhetik.

Mittwoch, 24.September 2014

Prof. Dr. Jochen Vogt (Essen / Duke University, Durham NC)
Minimalprogramm der Poesie? Oder: Eine Mütze ist eine Mütze. Zu Günter Eichs Epochengedicht
«Inventur»

Kaum ein Gedicht der deutschen Nachkriegsliteratur ist so oft zitiert und intensiv analysiert worden wie Eichs «Inventur» (1945/46) (wenn man von Paul Celans gleichzeitig entstandener «Todesfuge» absieht, die in einem mehrfachen Kontrastverhältnis zu Eichs Text steht). Durchgängig wurde «Inventur» als authentischer Ausdruck einer kollektiven Erfahrung (Krieg und Gefangenschaft) und als Dokument einer ‹neuen›, womöglich unbelasteten, jedenfalls kargen Sprache und einer minimalistischen Poesie und Poetik verstanden, oft auch gefeiert. In diesen 28 knappen, fast bild- und reimlosen Versen schien sich das Lebensgefühl des Nachkriegs, also der sogenannten «Stunde Null» oder des «Kahlschlags», idealtypisch auszusprechen.
Die Fülle der Deutungen hat einige Charakteristika dieses Textes verdeckt, die zu einer Neubewertung beitragen können. Um dies zu zeigen, geht der Referent einerseits dem zeithistorischen und biografischen Aspekt nach, der uns in ein berüchtigtes US-Kriegsgefangenenlager bei Sinzig am Rhein führt, und untersucht andererseits die kunstvoll verborgene poetische Faktur des scheinbar so kunstlosen Textes. Denn auch hier gilt der Satz des Klassikers: «Die Form ist ein Geheimnis den meisten».

Mittwoch, 27.August 2014

Dr. Bernhard Viel (Berlin /München):
Egon Friedell, der geniale Dilettant

Als Hitler im März 1938 in Wien einmarschierte, stürzte sich Egon Friedell aus dem Fenster seiner Wohnung – wäre sein Tod nicht von so beklemmenden Umständen überschattet, ließe sich Frie-dells Ende als tragisch-skurrile Inszenierung betrachten, die er selbst zu schätzen gewusst hätte. Mit seiner legendären Kulturgeschichte der Neuzeit hatte sich der Wiener Schriftsteller und Schauspieler einen ersten Platz im Pantheon der Kulturphilosophie erobert. Stilistisch durchfeilt und mit Sprachwitz gesättigt, bestrickt das zwischen 1927 und 1931 erschienene Werk durch den eigenwilligen Blick, mit dem der Autor die Entwicklung Europas zwischen Schwarzer Pest und Erstem Weltkrieg durchleuchtet. Bernhard Viel (2001 mit dem «Berliner Preis für Literaturkritik» ausgezeichnet) liest aus seiner Biographie, die in ebenso spannender wie unterhaltsamer Spurensuche erstmalig zeigt, dass die eigentliche Leistung Friedells ein Leben bildete, in dem Literatur, Bühne und Alltag sich zu einem virtuos inszenierten Gesamtkunstwerk fügen.

Mittwoch, 4. Juni 2014

Hartmut Heinze M.A. (Berlin):
«Vermächtnis altpersischen Glaubens». Goethes Ethik im «West-östlichen Divan»
In der Gestalt eines vom Leben und seiner Glaubensgemeinschaft Abschied nehmenden parsischen Sonnenpriesters erteilt Goethe seine Lehre: pflegsam und schonend mit der uns bergenden Natur umzugehen, das Feuer als irdisches Symbol der alles erhaltenden Sonne zu ehren. Weitere Bezüge: Goethes eigener Sonnenaltar am Hirschgraben, Adam Weishaupts Verknüpfung des Illuminatenordens mit Zarathustras Zend-Avesta und Mozarts Zauberflöte (Sarastro/Zarathustra in einem modisch ägyptisierenden Ambiente). – Nach der Rezitation des Gedichts werden die Motive en détail dargestellt.

Mittwoch, 2. April 2014

Hans Joachim Krenzke (Magdeburg):
Rainer Maria Rilke. Eine Bilderreise zu den Stätten seines Werdens

Rainer Maria Rilke, vom Endzeitbewusstsein geprägt, hielt Optimisten, Utopisten und Ideologen entgegen: «Wer spricht von Siegen? Überstehen ist alles.» Um wenigstens dies zu können, stellte er in den «Sonetten an Orpheus» die Maxime auf: «Wolle die Wandlung.» Dieser Wille zur Wandlung brachte es mit sich, dass sich Rilke auf einer steten Pilgerschaft befand und in über fünfzig Orten Europas und Nordafrikas gelebt und gearbeitet hat. Die chronologische Bilderfolge im Vortrag ist jenen Lebensstationen gewidmet, wo Rilke – am 4. Dezember 1875 in Prag geboren und dort aufgewachsen – Erfahrungen sammelte, die für seine Poesie wesentlich wurden: Worpswede, München, Berlin, Wien, Dresden, Marienbad, Moskau, St. Petersburg, Paris, Rom, Toledo, Capri, Ägypten, schließlich die Schweiz, wo er am 29. Dezember 1926 starb.

Mittwoch, 19. März 2014

Prof. Dr. Bernd Ulrich Hucker (Vechta):
Der historische Faust

Professor Hucker, der an der Universität Vechta (Abteilung für Kulturgeschichte und vergleichende Landesforschung) mittelalterliche Geschichte lehrt, sichtet die Lebenszeugnisse der historischen Ursprungsfigur Dr. Johann Faust quellenkritisch und stellt den geistigen und sozialen Umgriff von dessen Wirken vor. Hieß der historische Faust Johann oder Georg oder gar Heinrich, wie Goethe ihn in der Kerkerszene des «Faust» zu unserer Verblüffung einführt («Heinrich! Mir graut‘s vor dir»)? Hat eine dieser Figuren wirklich gelebt oder gab es am Ende mehrere von ihnen? Wie historisch genau etwa sind die Hinweise zu seinem Geburts- oder Sterbeort zu nehmen? – Der Referent wird sich vor allem auch mit den weithin vergessenen Beobachtungen des Göttinger Volkskundlers Will-Erich Peuckert (1895-1969) auseinandersetzen.

Mittwoch, 12. Februar 2014

Dr. Helmut Förster (Essen):
Mit dem Skizzenbuch durch Goethes Rom

Befreit von den Fesseln des Weimarer Hofs ist Rom für Goethe nicht nur Therapie und Seelenlabsal, sondern wird auch zu seinem künstlerischen und biographischen Höhepunkt: «…ich zähle einen zweiten Geburtstag, eine wahre Wiedergeburt, von dem Tage, da ich Rom betrat.»
Hier stillt er seinen «heißen Durst nach wahrer Kunst» und seine Sehnsucht nach einer intensiven Begegnung mit der Antike: «Ja, hier in deinen göttlichen Mauern ist alles beseelt, o ewiges Rom». Die beglückende und freie Liebe zu einer schönen Römerin verhilft ihm dabei zu einem Menschsein, das er in Dichtung und Leben als die «Apotheose des Menschlichen» (T.J. Reed) verewigt.
1000 Zeichnungen vom November 1786 bis April 1788 bezeugen seine Rom-Begeisterung, deren Motiven der Referent mit dem eigenen Skizzenblock gefolgt ist. Dabei kann man sich von Goethe anstecken lassen: «…dann ist Vergangenheit beständig, das Künftige voraus lebendig – der Augenblick ist Ewigkeit.»Dr. med. Helmut Förster ist uns durch seine humorvollen Glossen in der «Essener Revue» bestens bekannt.


2013

Mittwoch, 27. November 2013

Dr. Bertold Heizmann (Essen):
Der Nibelungen Lied, der Nibelungen Leid. Ein Text und seine Geschichte – mit Hinweisen auf Goethe
Im Wagner-Jahr 2013 ist der Nibelungen-Mythos vielfach präsent. Wagner greift jedoch auf den nordischen Mythos zurück, wohingegen die Dichtung, um die es hier geht, das mittelhochdeutsche Nibelungenlied ist, unterschiedlichste Mythen und Historien bündelt. Nach jahrhundertelangem Schlummer wurde dieser Text im 18. Jahrhundert wiederentdeckt und galt schon bald als deutsches „Nationalepos“, das dem Vergleich mit den antiken Epen standhält.
Der Vortrag geht den Fragen nach, warum diese mittelalterliche Dichtung überhaupt lange vergessen war – und in welcher Form und unter welchen Zeitumständen sie ihren Siegeszug antreten konnte. Die Geschichte dieses Textes ist eine Geschichte voller Missverständnisse; sie eröffnet Einblicke in den komplizierten Umgang der Deutschen mit ihrer eigenen Historie. Und hier lässt sich auch Goethe einbringen, der dem Text teils mit Hochachtung, teils mit Missbilligung, aber in jedem Falle mit einer gehörigen Skepsis gegenüber den nationalistischen Vereinnahmungen begegnete.

Mittwoch, 16. Oktober 2013

Prof. Dr. Menno Aden (Essen):
Die Nation und ihr Nationaldichter
Die Leipziger Schlacht vor 200 Jahren war in vieler Hinsicht das Gründungsdatum eines neuen deutschen Nationalgefühls. Goethe, der Künder der Weltliteratur, stand den patriotischen Strömungen in Deutschland seit jeher unsicher und skeptisch gegenüber, er schien die vielfach herbeigesehnte deutsche Nation nicht zu brauchen. Aber die Nation brauchte ihn, sie begann jedenfalls, sich seiner als ihres Nationaldichters zu bemächtigen. Die Nationen schufen gleichsam die „Planstelle“ eines Nationaldichters, welche bei uns mit Goethe, in Russland mit Alexander Puschkin, in Dänemark mit Andersen usw. besetzt wurde. Verlauf und Auswirkung dieser Erscheinung werden behandelt und zur Diskussion gestellt.
Mittwoch, 18. September 2013 Prof. Dr. Benedikt Jeßing (Bochum):
Vorstellung des Goethe-Jahrbuchs der Goethe-Gesellschaft Weimar e.V.
Erfahrungsbericht vom Weimarer Sommerkurs 2013

Es ist ein wichtiges Anliegen der Weimarer Muttergesellschaft, die Ortsvereinigungen teilhaben zu lassen an der Arbeit und den Projekten, die von Weimar aus für die Gesellschaft(en) getan wird. Eines der großen Projekte der Weimarer ist die Erstellung des Jahrbuchs der Goethe-Gesellschaft in Weimar, das auf der Höhe aktueller Forschung zu Goethe eine Reihe wichtiger Beiträge versammelt und damit immer wieder den Stand der internationalen Goethe-Forschung dokumentiert. Knapp soll in Auswahl das Jahrbuch vorgestellt werden – dazu soll das zweite wichtige Projekt der Weimarer Gesellschaft, die Ausrichtung des Weimarer Goethe-Sommerkurses, der auch zur Gewinnung neuer junger Mitglieder und Interessenten dient (und der in diesem Jahr wieder von Prof. Dr. B. Jeßing geleitet wird) in einem Erfahrungsbericht präsentiert werden.

Mittwoch, 17. Juli 2013
Dr. Nikolaus Gatter (Köln)
„Mit Absicht läßt sich dergleichen nicht so frisch hervorrufen“:
Berliner Geselligkeit von Rahel Varnhagen bis Henriette Solmar 1800-1860

Fällt das Stichwort ‚Salon‘, dann folgt oft eine Liste prominenter Namen von Schlegel über Humboldt bis Prinz Louis Ferdinand, eingeladen von geistreichen Jüdinnen. Doch wie sah die Praxis aus? Wer durfte kommen und auf welchen Möbeln saß man, wurden nur Tee und Schnittchen gereicht, und womit vertrieb man sich die Zeit? Von Visitenkarten und Scherenschnitten, Gelegenheitsgedichten und Rollenspielen und vom Ende der Geselligkeit durch politischen Parteienzwist berichtet Nikolaus Gatter, Vorsitzender der Varnhagen Gesellschaft e. V. (Köln).

Mittwoch, 19. Juni 2013
Dr. Arnold Pistiak (Potsdam):
„Ich liebe“ oder: Füchsin, Natter, Teufelin.
Anmerkungen zur Figurenentwicklung in Così fan tutte – mit Seitenblick auf Goethe

Dieser Vortrag zielt auf einen neuen Zugang zu der zumeist unterschätzten Oper Mozarts. Im Unterschied zu traditionellen Lesart wendet sich der Referent entschieden gegen solche Urteile wie „Sittenlosigkeit“ oder Zynismus und betont den verblüffenden emanzipatorischen Gehalt des Werkes. Mit Blick auf die damaligen Aufführungen der Oper in Weimar wird sodann der Versuch unternommen, dem Verhältnis von Goethes Roman Die Wahlverwandtschaften zu Così fan tutte nachzugehen.
Dr. Pistiak ist uns seit seinem geist- und humorvollen Vortrag über „Friedrich Schiller in Liedern von Franz Schubert“, den er vor einigen Jahren bei uns gehalten hat, bestens bekannt.

Mittwoch, 15. Mai 2013
Prof. Dr. Gunter E. Grimm (Duisburg-Essen)
«Die Idee, ich hätte so ausgesehen…»
Goethe-Bilder in den Medien des 19. und 20. Jahrhunderts

Bei Goethes Selbstinszenierung spielten auch Gemälde und Statuen eine bedeutsame Rolle. Sie haben unser ‚Bild‘ von Goethes Aussehen geprägt. Es ist belegt, dass verschiedene Künstler, denen Goethe Modell gesessen hat, seine Wünsche berücksichtigt bzw. nachträgliche Änderungen vorgenommen haben. Nach Goethes Tod begann die Phase, in der dem Dichter Denkmäler errichtet wurden, die sich an eben diesen zu Lebzeiten gemalten Bildnissen oder modellierten Büsten orientiert haben. In gewisser Weise führten sie die von Goethe selbst gestiftete Form des Repräsentativen fort und schufen damit eine bürgerliche Tradition der Künstler-Apotheose. Der Vortrag soll an ausgewählten Beispielen analysieren, wie das von Goethe angelegte Selbstbild sich zu verselbständigen begann und wie – vor allem in den der Verehrung und der Verbreitung dienenden Medien (Goethe-Denkmäler, Postkartenserien, Illustrationen in populären Literaturgeschichten) – das Bild vom ‚Olympier‘ Goethe etabliert wurde.

Mittwoch, 17. April 2013

Dr. Klaus Neuhoff (Essen):
«Tätig zu sein ist des Menschen erste Bestimmung».
Der Begriff der «Tätigkeit» zwischen Aufklärung und Goethezeit.

Das Zeitalter der Aufklärung brachte einen neuen Herrschertyp hervor, der, nach den Worten Friedrichs II., bestrebt war, «lieber als ‹Schulmeister› denn als ‹Tyrann› aufzutreten.» Zu dieser neuen Rolle gehörte jetzt, nicht nur im Adel, die Selbstverpflichtung, sich zu bilden und ‹tätig› zu werden. Es formen sich Akademien und wissenschaftliche Gesellschaften, in denen die Zukunft einer humaneren Menschheit vorgedacht wird. In diesen Kontext ist auch Goethe zu stellen, der wiederholt in seinen Schriften das Tätig-Sein als Bestimmung, aber auch als Vergnügen, darstellt. Immer breitere Schichten werden in diesem Sinne ‹tätig›: Das bürgerliche Zeitalter kündigt sich an.
Hinweis: Der Vortrag findet ausnahmsweise in der Aula der Wirtschaftsschule WIPA, Maxstr. 58, statt.

Mittwoch, 6. März 2013

Hartmut Heinze, M.A. (Berlin):
Goethe und sein „Zweiter Fritz“.
Leben und Werk des Hanauer Malers Friedrich Bury – zum 250. Geburtstag
Goethe lernte den jungen Hanauer Maler Bury in Rom kennen – dort stand Bury in enger Verbindung zu Anton Wilhelm Tischbein – und war von seinem Wesen und Schaffen sehr angetan; so schrieb er an Fritz von Stein in Weimar, dass er nun in Rom einen „zweiten Fritz“ gefunden habe. Bury war ein studierter Maler, der auch nach seiner Rückkehr aus Italien 1799 in Weimar, Berlin, Kassel und Den Haag, vor allem als Porträtist, reüssierte.
Zum 250. Geburtstag (Bury wurde am 13. März 1763 geboren; er starb am 18. Mai 1823 in Aachen) wird sein Werk in vielen Beispielen vorgeführt und – nicht nur in Bezug auf Goethe – gewertet.

Mittwoch, 20. Februar 2013

Prof. Dr. Jörn Rüsen (KWI Essen):
Liebe in Goethes Faust

In Goethes Faust, insbesondere in «Der Tragödie erster Teil», ist die sogenannte Margareten-Handlung schon seit dem Faust in ursprünglicher Gestalt seit der ersten Hälfte der 1770er Jahre ein selbständiges «bürgerliches Trauerspiel» innerhalb des Gelehrtendramas und innerhalb des durch den «Prolog im Himmel» anmoderierten Welttheaters. Antworten auf die Fragen danach, ob und wie Margarete Faust liebt, ob aber vor allem Faust Margarete liebt, wie diese (gegebenenfalls vorhandene) Liebe sich äußert, wie aus ihr fundamentale Schuld Fausts wird, wie sie Faust als Figur charakterisiert, füllen mittlerweile Bibliotheken – und werden weiterhin höchst kontrovers diskutiert. Der Vortrag will am Text die «Liebe in Goethe Faust» erörtern und damit Ausgangspunkt für die Fortsetzung dieser Diskussion werden.
Hinweis: Der Vortrag war bereits für den 21. März 2012 angekündigt, musste dann aber wegen eines Streiks im Öffentlichen Dienst abgesagt werden.


2012

Mittwoch, 21. November 2012

17.30 Uhr außerordentliche Mitgliederversammlung im Bürgermeisterhaus Werden, Heckstraße 105

Tagesordnung : 1) Ergänzungswahlen zum Vorstand
2) Wahl der Rechnungsprüfer

19.00 Uhr Musikalisches Programm des“ Ensembles Dreiklang „ : Aus Sturm
und Drang zum Ideal. – Goethe-Lieder und Lesung aus „Dichtung
und Wahrheit“
vorgetragen von Tatjana Dravenau – Klavier; Andreas Post –Tenor;
Peter Heusch – Rezitator.

20.00 Uhr Imbiss und Getränke zum geselligen Ausklang des Abends
Die Veranstaltung ist für Mitglieder der Goethe-Gesellschaft kostenfrei. Um zahlreiches und pünktliches Erscheinen wird gebeten.

Mittwoch, 31. Oktober 2012

Prof. Dr. Ralph Köhnen (Bochum):
Spezialisten und Generalisten.
Goethes Bildungskonzepte im Zeitalter von «Standards» und «Kompetenzen»

Goethe hat insbesondere in seinen literarischen Werken (Wilhelm Meister, Die Wahlverwnadtschaften), aber auch in vielzähligen (kunst-)pädagogischen Beiträgen zu seiner Zeitschrift Die Propyläen um 1800 ein spezifisches Konzept von Bildung formuliert, das ihn mit seiner Vorstellung der Bildung des «ganzen Menschen», cum grano salis, in den europäischen Neuhumanismus einordnet. – Die aktuelle Bildungspolitik, die Universitäten und Schulen gleichermaßen betrifft, hat eine Vielzahl von «Standards» und definierbarer «Kompetenzen» formuliert, die gewissermaßen weit unter der universalistischen Bildungsidee Goethes zu rangieren scheinen. Goethes Bildungsvorstellung gleichsam als Meßlatte für aktuelle Bildungs- und Ausbildungskonzepte heranzuziehen, ermöglicht einen kritischen Blick auf die gegenwärtige Bildungssituation – umgekehrt kann allerdings auch nach den Maßgaben gegenwärtiger gesellschaftlicher Anforderungen das ältere Konzept kritisch hinterfragt werden.

Mittwoch, 19. September 2012

Prof. Dr. Benedikt Jeßing (Bochum):
Vorstellung des Goethe-Jahrbuchs der Goethe-Gesellschaft Weimar e.V.
Erfahrungsbericht vom Weimarer Sommerkurs 2012

Es ist ein wichtiges Anliegen der Weimarer Muttergesellschaft, die Ortsvereinigungen teilhaben zu lassen an der Arbeit und den Projekten, die von Weimar aus für die Gesellschaft(en) getan wird. Eines der großen Projekte der Weimarer ist die Erstellung des Jahrbuchs der Goethe-Gesellschaft in Weimar, das auf der Höhe aktueller Forschung zu Goethe eine Reihe wichtiger Beiträge versammelt und damit immer wieder den Stand der internationalen Goethe-Forschung dokumentiert. Knapp soll in Auswahl das Jahrbuch vorgestellt werden – dazu soll das zweite wichtige Projekt der Weimarer Gesellschaft, die Ausrichtung des Weimarer Goethe-Sommerkurses, der auch zur Gewinnung neuer junger Mitglieder und Interessenten dient (und der in diesem Jahr wieder von Prof. Dr. T.J. Reed, Oxford, und B. Jeßing geleitet wird) in einem Erfahrungsbericht präsentiert werden.

Mittwoch, 20. Juni 2012

Jahreshauptversammlung der Goethe-Gesellschaft Essen e.V.
Aufgrund des organisatorischen Aufwands für die Ausrichtung der Jahrestagung der Vorstände der Ortsvereinigungen der Goethe-Gesellschaft in Weimar e.V. vom 17.-20. Mai in Essen wird die Jahreshauptversammlung unserer Gesellschaft erst im Juni stattfinden können. Für die Jahreshauptversammlung ergeht selbstverständlich noch eine formelle Einladung mitsamt Zeit- und Ortsangaben.

Freitag, 18. Mai 2012

Fest- und Auftaktveranstaltung
im «Haus der Technik» Essen,
Saal B
Moderation: Prof. Dr. B. Jeßing Grußworte

Reinhard Paß , Oberbürgermeister der Stadt Essen
Dr. habil Jochen Golz, Vorsitzender der Goethe-Gesellschaft Weimar e.V.
Dr. Stephan J. Holthoff-Pförtner, Schirmherr der Jahrestagung

Festvortrag
Prof. Dr. Terence James Reed, Oxford:
«Der säkulare Goethe» Musikalische Umrahmung:

Streichquartett aus Mitgliedern
des Folkwang-Kammerorchesters

Alle Mitglieder der Goethe-Gesellschaft Essen e.V. sind zu dieser Auftaktveranstaltung herzlich eingeladen!

Mittwoch, 18. April 2012

Prof. Dr. Harald Goebell (Essen):
Die Darstellung von Jugend in der Kunst

Unzählige Stoffe, Motive, Sujets und Themen wurden im Verlaufe der Geschichte europäischer Kunst und Literatur zu universellen Topoi künstlerischer und literarischer Bildung, die seit der Antike in unzähligen Varianten und Darstellungsweisen ausbuchstabiert worden sind. Der Vortrag will auf der Basis einer reichen Kenntnis der insbesondere neueren Kunstgeschichte den Variantenreichtum der Darstellung eines bestimmten Motivs in der bildenden Kunst nachvollziehen – und wird damit gleichzeitig eine Vielzahl beliebter und berühmter Kunstwerke wieder vor Augen führen.

Mittwoch, 21. März 2012

Prof. Dr. Jörn Rüsen (KWI Essen):
Liebe in Goethes Faust In Goethes Faust, insbesondere in «Der Tragödie erster Teil», ist die sogenannte Margareten-Handlung schon seit dem Faust in ursprünglicher Gestalt seit der ersten Hälfte der 1770er Jahre ein selbständiges «bürgerliches Trauerspiel» innerhalb des Gelehrtendramas und innerhalb des durch den «Prolog im Himmel» anmoderierten Welttheaters. Antworten auf die Fragen danach, ob und wie Margarete Faust liebt, ob aber vor allem Faust Margarete liebt, wie diese (gegebenenfalls vorhandene) Liebe sich äußert, wie aus ihr fundamentale Schuld Fausts wird, wie sie Faust als Figur charakterisiert, füllen mittlerweile Bibliotheken – und werden weiterhin höchst kontrovers diskutiert. Der Vortrag will am Text die «Liebe in Goethe Faust» erörtern und damit Ausgangspunkt für die Fortsetzung dieser Diskussion werden.

Mittwoch, 22. Februar 2012
Prof. Dr. Ricarda Bauschke-Hartung (Düsseldorf):
Goethe und die mittelalterliche Lyrik

Goethes Verhältnis zum Mittelalter entwickelt sich zwar schon in seiner Straßburger Zeit angesichts des beeindruckenden Münsters und seiner Verehrung für dessen Baumeister, kommt in seinem Spätwerk auch in seinen Stellungnahmen zum Weiterbau des Kölner Doms und zu mittelalterlichen Kunstwerken zum Ausdruck. Sein Verhältnis zu mittelalterlicher Lyrik aber erscheint wissenschaftlich und goethe-philologisch reichlich «unterbelichtet»; mittelalterliche Literatur als Bezugsdimension von Goethes poetischer Arbeit rückte bisher nicht in den Fokus literaturwissenschaftlichen Interesses.
Der Vortrag will mit reichhaltigen Gedichtrezitationen diesen stark vernachlässigten literarhistorischen Kontext von Goethes poetischem Schaffen erarbeiten und Einblicke in eine unbekannte Dimension von Goethes Kenntnis und Wertachtung der älteren deutschen Literatur bieten.


2011

Mittwoch, 23. November 2011

Prof. Dr. Ricarda Bauschke-Hartung (Düsseldorf):
Goethe und die mittelalterliche Lyrik
Goethes Verhältnis zum Mittelalter entwickelt sich zwar schon in seiner Straßburger Zeit angesichts des beeindruckenden Münsters und seiner Verehrung für dessen Baumeister, kommt in seinem Spätwerk auch in seinen Stellungnahmen zum Weiterbau des Kölner Doms und zu mittelalterlichen Kunstwerken zum Ausdruck.
Sein Verhältnis zu mittelalterlicher Lyrik aber erscheint wissenschaftlich und goethe-philologisch reichlich «unterbelichtet»; mittelalterliche Literatur als Bezugsdimension von Goethes poetischer Arbeit rückte bisher nicht in den Fokus literaturwissenschaftlichen Interesses.
Der Vortrag will mit reichhaltigen Gedichtrezitationen diesen stark vernachlässigten literarhistorischen Kontext von Goethes poetischem Schaffen erarbeiten und Einblicke in eine unbekannte Dimension von Goethes Kenntnis und Wertachtung der älteren deutschen Literatur bieten.

Mittwoch, 19. Oktober 2011

Dr. Angela Steidele (Köln):
Adele Schopenhauer und Sibylle Mertens. — Die Geschichte von Goethes «enfant chérie» und ihrer Lebensgefährtin
Adele Schopenhauer (1797–1849) ersetzte Goethe die Tochter, die er nicht hatte. Er spielte mit ihr und ihren Puppen, unterrichtete sie später in Literatur und Kunst, besetzte sie als Schauspielerin in Festspielen und bewunderte ihre Scherenschnitte. In Köln lernte sein Schützling 1828 die «Rheingräfin» Sibylle Mertens-Schaaffhausen (1797–1857) kennen und lieben. Zwanzig Jahre lang lebte sie mit der Archäologin, Antikensammlerin, Mäzenin und Salonière in Bonn und Rom zusammen. Während Sibylles Mann und sechs Kinder ihre Liebe als «Unrecht, Wahnwitz, Tollheit» bekämpften und Adeles Bruder Arthur «Ueber die Weiber» geiferte, warf Goethe einen altersmilden Blick auf sein «theuerstes Adelchen» und ihre Partnerin, der er die Medusenzeichnung in seinem Treppenhaus verdankt.

Angela Steidele: Geschichte einer Liebe: Adele Schopenhauer und Sibylle Mertens (Berlin: Insel, 336 S., gebunden, mit zahlreichen Abbildungen)

Mittwoch, 14. September 2011

Dr. Heike Spies (Düsseldorf):
Naturwissenschaftliches in Goethes «Faust»

gemeinsam mit der «Naturwissenschaftlichen Gesellschaft» e.V.

Goethes «Faust», insbesondere «Der Tragödie zweiter Teil», ist gekennzeichnet von einer Fülle an
Anspielungen auf naturwissenschaftliches Wissen, das der (u.a.) Osteologe, Botaniker, Mineraloge und Meteorologe Goethe aus der naturwissenschaftlichen Tradition kannte und dessen Erkenntnisfortschritt er als Aufseher über die Universität Jena und Mitglied der dortigen «Naturforschenden Gesellschaft» zeitlebens mitvollzog: Die Entdeckung der künstlichen Harnstoffsynthese oder die Reflexion der Entstehung der Erdgestalt sind nur zwei Beispiele für naturwissenschaftliches Wissen im «Faust II». Der Vortrag soll präzise die
Modellierung naturwissenschaftlichen Wissens in Goethes dramatischem Hauptwerk nachvollziehen.

Mittwoch, 15. Juni 2011

Prof. Dr. Menno Aden (Essen):
Richard Francis Burton und sein Sinngedicht «Kasidah»

Das 19. Jahrhundert entdeckte die Welt noch einmal. Jetzt waren es nicht Konquistadoren und Glücksritter, sondern Reisende auf der Suche nach Wissen über die Welt und das, was sie im Innersten zusammenhält. Richard Burton war als Weltensammler (Trojanow) sein Leben lang zwischen Völkern und Kontinenten auf Reisen. Als Kenner vieler, insbesondere orientalischer Sprachen, hatte er einen direkten Zugang zu allen Hochreligionen. Denn auch die Religion wurde neu entdeckt. Goethes West-Östlicher Divan ist ein prominentes Beispiel für das neue Interesse am Orient.
Richard Burton setzt sich den Glaubenszweifeln aus, die wohl jeder erlebt, der in fremden Kulturen und Religionen eintaucht. Seine Einsichten kondensiert er in seinem langen Sinngedicht Kasidah. Darin vergleicht er die Hauptreligionen mit einander und entscheidet sich zuletzt für eine un­dogmatische Weltreligion der diesseitigen Pflichterfüllung, wie sie auch Goethe vorgeschwebt haben mag.

Mittwoch, 18. Mai 2011

Dr. Bertold Heizmann (Essen):
«Klassisch ist das Gesunde – romantisch das Kranke» Goethes Kritik an den Romantikern

«Klassik» und «Romantik» sind – als Epochenbezeichnungen – nachträgliche Etikettierungen. Wenn Goethe mehrfach formelhaft das «Klassische» als das «Gesunde» und das «Romantische» als das «Kranke» bezeichnete, ist es deshalb notwendig, diese Begriffe in den zeitgeschichtlichen Kontext zu stellen, um zeigen zu können, worauf sich Goethes Kritik wesentlich richtet. Somit soll ein Beitrag zur Erhellung des komplizierten Verhältnisses sowie der wechselseitigen Beeinflussung zwischen dem «klassischen» Goethe und seinen «romantischen» Zeitgenossen geleistet werden.

Mittwoch, 6. April 2011

Dr. Günter Schomaker (Essen):
Kafka und Goethe

Seit seiner Schulzeit am Altstädter Deutschen Gymnasium zu Prag hat sich Kafka, den man auch gerne als einen Klassiker der Moderne bezeichnet, mit Goethe, dem Weimarer Klassiker, beschäftigt.
In zahlreichen, meist sehr kurzen Anmerkungen in den Tagebüchern und Briefen bezieht Kafka Stellung zu Goethe, eine Stellung, die zwischen Attraktion und Zurückweisung schwankt und doch in Goethe die literarische Vaterfigur verehrt. Kafka verweist auf Ähnlichkeiten und Unterschiede im Schreibprozeß und gibt Einblick in poetologische Verfahren, die das Gemeinsame im scheinbar Unvereinbaren erkennen lassen. Da Kafka sich theoretisch selten zum eigenen Werk geäußert hat, kommt diesen Textstellen zu Goethe eine besondere Bedeutung zu.

Mittwoch, 16. März 2011 Dr. Margrit Wyder (Zürich):
Der »Kunschtmeyer« – Annäherungen an Goethes Schweizer Freund

Der Maler und Kunsthistoriker Johann Heinrich Meyer (1760–1832) aus Zürich gehörte seit der ersten Bekanntschaft mit Goethe in Italien zu dessen engsten Freunden und Mitarbeitern. Über 40 Jahre lebte Meyer in Weimar bescheiden und offenbar zufrieden an der Seite des großen Geistes. Dabei nahm der Schweizer in Weimar wichtige Funktionen wahr: als Goethes Innenarchitekt und stellvertretender Hausvorstand, als Professor an der Zeichenschule und Lehrer von Großfürstin Maria Pawlowna, als Kunstkritiker und Lektor von Goethes Texten. Wer war der Mann, der trotz zahlreicher Anfeindungen dem Klassizismus in der Kunst stets verpflichtet blieb? Der Vortrag versucht eine Darstellung von Leben und Werk des als »Kunschtmeyer« bekannten Malers aufgrund neuer Quellen.

Mittwoch, 23. Februar 2011

Prof. Dr. Benedikt Jeßing (Bochum):
«Mein Vater, mein Vater, jetzt faßt er mich an» – Natur und Mensch in Goethes Balladenschaffen

Vor allem das frühe Balladenschaffen Goethes thematisiert im Kontext einer Naturauffassung, die exemplarisch für den Sturm und Drang zu Beginn der 1770er Jahre steht, die problematische, naturmagisch-verführerische Seite der Natur gegenüber dem Menschen – sowie ebenfalls die gewaltsamen bzw. rationalen oder irrational-empfindsamen Momente des menschlichen Zugriffs auf Natur. Am Beispiel des «Heidenrösleins», des «Fischers» und des «Erlkönigs» soll die Reflexion des Verhältnisses von Mensch und Natur in diesen bekannten Goethe-Texten nachvollzogen werden.


2010

Mittwoch, 24. November 2010

Dr. jur. Dr. hc. mult. Manfred Osten
Anatomie einer Freundschaft. Goethe über Schiller oder Barbarei und die Ästhetik der Entschleunigung

Auf Schillers in den ästhetischen Briefen gestellte, unverändert aktuelle Frage, woran es liege, «dass wir immer noch Barbaren sind», antwortet Goethe ein Vierteljahrhundert später mit der Definition des Barbarischen als «Nichtanerkennen des Vortrefflichen». Entsprach jedoch die für Goethe ruhelos «voreilende» Natur seines Freundes Schiller wirklich seinem Ideal des «Vortrefflichen»? Lag nicht im ruhelosen «Voreilen» der Grund jener Barbarei der Moderne, die Nietzsche dann auf die Formel bringen wird: «Aus Mangel an Ruhe läuft unsere Zivilisation in eine neue Barbarei aus. Zu keiner Zeit haben […] die Ruhelosen mehr gegolten.»?

Donnerstag, 7. Oktober 2010

Prof. Dr. Ernst Osterkamp (Berlin)
«Gesamtbildung und freier Genuss. Wechselwirkungen zwischen Goethe und Wilhelm von Humboldt».

Das Thema des Vortrags bilden die Wechselwirkungen zwischen Goethe und Wilhelm von Humboldt. Goethe hat seit den Jahren der «Horen» «unser schönes Quatuor», das Quartett aus Schiller, Humboldt, Heinrich Meyer und ihm selbst, als der Inbegriff einer produktiven Gemeinschaft gegolten. Humboldt blieb danach für Goethe lebenslang ein wichtiger Vermittler politischer, künstlerischer und kultureller Anregungen und Themen aus den Metropolen Europas, mit dem er sich durch gemeinsame ästhetische Grundüberzeugungen verbunden wusste. Goethes Bedeutung für Humboldt, aber auch Humboldts Bild der deutschen Klassik generell soll anhand seiner Schriften «Aesthetische Versuche. Erster Theil. Über Goethes Hermann und Dorothea» (1799) und «Recension von Goethes zweitem römischen Aufenthalt» (1830) konturiert werden. Der Einfluss Goethes auf Humboldt lässt sich aber auch anhand von wichtigen kulturpolitischen Entscheidungen Humboldts nachweisen.

Mittwoch, 22. September 2010

Dr. Norbert Küpper (Essen)
Gretchen

Faust hat sich an Mephisto gebunden. Dieser will ihn von seinem «Urquell abziehen» und ihn «auf seinem Wege mit herabführen» (Prolog im Himmel). Bald muss Faust erkennen, dass Mephisto der «Gefährte» ist, «den er schon nicht mehr entbehren kann» (Wald und Höhle) und das, obwohl jener selber sagt, dass er ein «Teil der Finsternis» sei (Studierzimmer).
Aber welche Wirkung hat Gretchen auf Faust? Ist sie Mephistos Widersacherin? Wer ist sie überhaupt? Vermag sie Faust zu retten, gar zu erlösen?

Mittwoch, 15. Juni 2011

Prof. Dr. Menno Aden (Essen):
Richard Francis Burton und sein Sinngedicht «Kasidah»
Das 19. Jahrhundert entdeckte die Welt noch einmal. Jetzt waren es nicht Konquistadoren und Glücksritter, sondern Reisende auf der Suche nach Wissen über die Welt und das, was sie im Innersten zusammenhält. Richard Burton war als Weltensammler (Trojanow) sein Leben lang zwischen Völkern und Kontinenten auf Reisen. Als Kenner vieler, insbesondere orientalischer Sprachen, hatte er einen direkten Zugang zu allen Hochreligionen. Denn auch die Religion wurde neu entdeckt. Goethes West-Östlicher Divan ist ein prominentes Beispiel für das neue Interesse am Orient.
Richard Burton setzt sich den Glaubenszweifeln aus, die wohl jeder erlebt, der in fremden Kulturen und Religionen eintaucht. Seine Einsichten kondensiert er in seinem langen Sinngedicht Kasidah. Darin vergleicht er die Hauptreligionen mit einander und entscheidet sich zuletzt für eine un­dogmatische Weltreligion der diesseitigen Pflichterfüllung, wie sie auch Goethe vorgeschwebt haben mag.

Mittwoch, 19. Mai 2010

Dr. Sylke Kaufmann (Kamenz)
Henriette von Pogwisch (1776-1851) und ihre Französische Lesegesellschaft in Weimar

Der Vortrag beschäftigt sich mit der Weimarer Hofdame Henriette von Pogwisch. Bei der Vorstellung ihrer Biographie wird auch auf ihre Kontakte zu Goethe eingegangen, mit dem sie seit der Heirat ihrer Tochter Ottilie mit seinem Sohn August verwandtschaftlich verbunden war. Pogwisch leistete einen aktiven Beitrag zur Weimarer Geselligkeit. So führte sie über Jahrzehnte zwei Lesegesellschaften. Insbesondere ihre Französische Lesegesellschaft ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Sie wird daher genauer betrachtet, wobei sich sowohl interessante Rückschlüsse auf die Lektüre-Vorlieben einer zeitgenössischen Adligen als auch auf Goethes Aufgeschlossenheit für solche neuen Formen der Literaturvermittlung ergeben. Der Dichter nutzte das Angebot der Lesegesellschaft intensiv und beschaffte sich auf diese Weise u. a. Bücher, die seine Weltliteraturtheorie maßgeblich beeinflusst haben.

Mittwoch, 21. April 2010

Prof. Dr; Martin Bollacher (Bochum)
«… keine Liebschaft war es nicht» Goethe und Ulrike von Levetzow im Spiegel von Martin Walsers Roman «Ein liebender Mann»

In seinem 2008 erschienenen Roman Ein liebender Mann verbindet Martin Walser die ebenso schockierende wie rührende Geschichte von Goethes später Liebe zu der blutjungen Ulrike von Levetzow, die in dem Großgedicht der Marienbader Elegie ihren poetischen Niederschlag gefunden hat, mit seinem eigenen psychologischen und literarischen Interesse an der Motivkonstellation . Seinem Verfahren des Kombinierens und Verdichtens ordnet er das historisch-biographische Material unter und präsentiert einen Goethe , der dem Leser mittels der Rollenprosa und der Einblick in seine geheimsten Gedanken und Stimmungen gewährt. Die gesellschaftlich anstößige Liebe zwischen dem «undisputed sovereign of European literature» (Byron) und dem aristokratischen «Töchterchen» wird in einer Mischung von Ironie und Respekt, Einfühlung und Distanz, Realität und Fiktion nacherzählt und zu einem eigenständigen (dokumentarischen Roman> geformt

Donnerstag, 25. März 2010

Dr. Arnold Pistiak (Potsdam)
«Schöne Welt, wo bist du?» — Friedrich Schiller in Liedern von Franz Schubert

Wer kennt nicht einige von Schuberts Goetheliedern? Aber wer kennt Schuberts Lieder nach Texten von Schiller? Dabei hat sich der Wiener Komponist in unterschiedlichen Lebensphasen immer wieder Dichtungen Schillers zugewandt und Lieder geschaffen, die gewiss nicht so spektakulär waren wie der Erlkönig, von denen aber eine ganze Anzahl an Tiefe und Reichtum der Empfindungen, an beeindruckender Originalität, an musikalischer Kühnheit wie an gedanklicher Reife jeden Vergleich mit seinen Goetheliedern aushalten. Solche Kompositionen wie der Klagegesang «Die Götter Griechenlands» oder die späte Ballade «Der Alpenjäger» lassen sich wohl nur als bewundernswerte musikalisch-poetische Schöpfungen verstehen und aneignen. Und gerade darum soll es in dem Vortrag gehen: Dem subjektiven und zugleich souveränen Umgang des Komponisten mit Gedichten Schillers nachzufragen und damit spezifische Möglichkeiten genussvoller Aneignung von Wort und Ton anzudeuten.

Mittwoch, 17. Februar 2010

Hartmut Heinze (Berlin)
Goethes «sehr ernste Scherze» im «Faust-ll»-Finale

Es gilt, den originalen Text Goethes im Faust II-Finale aufmerksam zu lesen; dann wird sogleich klar, dass Goethes Poetik auch hier, kontrastierend ironisch, Selbst- und Weltkritik in den Gehalten symbolisch anschaulich macht. Goethe selbst nennt das seine «sehr ernsten Scherze»: In diesem Oxymoron zeigt er in Faust den Wirtschaftstäter in grausiger Verblendung und in Lynkeus den, der Schönheit wie Grauen erschaut, aber machtlos ist, zeigt also den tragischen Zwiespalt der Übereilung in der zerstörerischen Naturausbeutung. So erscheint die Epiphanie der «Göttin» illusionär, ein weiteres «Opernfinale über dem Abgrund» (Schiller) wie in «Egmont», den «Urworten. Orphisch» oder in «Symbolum».